Weniger ist mehr

Software-Instrument Eisenberg Einklang im Test

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Software-Synthesizer gibt es zuhauf, doch die junge Firma „Eisenberg“ geht einen vollständig anderen Weg. Der virtuelle Klangerzeuger mit dem schlichten Namen „Einklang“ soll durch Morphing ohne große Vorkenntnisse zu aufregenden, neuen Klängen verhelfen.

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Das Team, das sich aus nur drei Mitarbeitern zusammensetzt, begann schon im Jahr 2003 mit der Forschung, deren Ergebnisse sieben Jahre später in der Firmengründung resultierten. Eine Kampagne auf einer Crowdfunding-Plattform diente als Finanzspritze zur Realisierung des Projekts. Dr. Gunnar Eisenberg, der „Head of Research & Development“, war lange Zeit als Entwicklungsingenieur für digitale Signalverarbeitung bei niemand Geringerem als „Native Instruments“ tätig. Eine vielversprechende Ausgangssituation …

Einklang ist für Windows XP/Vista/7 und für den Mac ab OS X 10.7 sowohl als 32-Bitals auch 64-Bit-Version erhältlich – in allen gängigen Schnittstellen von VST und AU über RTAS und AAX bis hin zur StandaloneInstanz. Trotz deutschem Firmensitz ist die Bedienungsanleitung nur als englischsprachiges PDF verfügbar.

Seit Version 1.1.0 bietet der Installationsdialog die wichtige Option, den doch recht umfangreichen Content von knapp 600 MB in einen separaten Ordner zu verlagern. Die hier getestete „Basic“-Version beinhaltet 150 Bausteine. Vor Kurzem erweiterte der Hersteller die Klangauswahl um die beiden „Premium Tone“-Packs „Black“ und „White“, die auch fester Bestandteil der „Extended“-Version sind.

Simpel und einfach 

Das Prinzip von Einklang ist so einfach wie genial: Man hat drei Klangbausteine, zwischen denen man in Echtzeit und stufenlos morphen kann – ähnlich wie z. B. beim FM8 von Native Instruments. Nur eben könnte der Unterschied zum Einklang gravierender nicht sein: Die Klangbausteine werden zwar synthetisch erzeugt, klingen aber z. T. so natürlich und hochauflösend wie Samples. Das ist, würde ich sagen, der erste verblüffende Moment, wenn man, von diesen Basis-Sounds ausgehend, dann mit nur ein paar Mausbewegungen Mischungen erstellt, in denen sich die Klangeigenschaften aller drei Sounds wiederfinden – aber der Reihe nach.

Die Oberfläche ist schnell erklärt. Auf der rechten Seite kann man in jede der drei Ecken des „Morphing“-Dreiecks einen Klangbaustein laden. Per Rechtsklick wird dort jeweils ein Kontextmenü angezeigt, das in der hier getesteten „Basic“-Version 150 Sounds auflistet. Auf der Innenfläche des Dreiecks lassen sich diese mit dem sogenannten „Gem“, zu deutsch: „Edelstein“, stufenlos überblenden. Je nach Position des Edelsteins wechselt die Farbgebung der Bedienelemente. Während die Ecken die drei Grundfarben Rot, Grün und Blau repräsentieren, erscheint die Mitte in reinem Weiß – eben wie das Lichtspektrum.

Links befinden sich acht Drehknöpfe, die in drei Sektionen unterteilt sind. „Timbre“ bietet die Parameter „Dissonance“ und „Harmonicity“, die Sektion „Loudness“ hingegen „Attack“, „Release“ und „Percussion“, und die unterste Reihe widmet sich der „Modulation“ mit „Rate“, „Intensity“ sowie „Portamento“.

Die virtuelle Klaviatur im unteren Bereich zeigt die jeweilig gespielten Noten an, lässt sich aber leider nicht ausblenden. Das war’s schon!

Klangerzeugung 

Im Gegensatz zu vielen anderen Synthesizern findet die Klangerzeugung hier weder durch komplexe Verschaltung von Filtern und Hüllkurven, noch durch additive Synthese oder gar Samples statt, sondern durch Kombination von drei Engines. Die erste resynthetisiert alle harmonischen Anteile, die zweite hingegen die Transientenmodulierung, also Clicks oder Perkussions-Anteil.

Die dritte Engine arbeitet als Vermittler und steuert laut Hersteller bis zu 20.000 Parameter mithilfe der patentierten „Artificial Intelligence Studio Technology“, kurz „AIST“. Diese „künstliche Intelligenz“ verwaltet die Resynthese-Parameter für jede Klangfarbe und blendet Obertöne unter Beachtung von Amplitude, Position und relativer Phasenlage über. Solche bis auf „subatomarer Ebene“ zerlegten Sounds sind überhaupt erst die Voraussetzung für solch ungewöhnliche Klangbearbeitungen, wie sie Einklang bietet – das Morphing sollte man also nicht verwechseln mit dem Mischen oder Überblenden von Klängen. Was in Einklang passiert, ist weitaus komplexer und bringt Klangverläufe hervor, die man so noch nicht gehört hat.

Einklang „Basic“ bietet Zugriff auf 150 Klangbausteine

Im Betrieb 

Im Test fiel als Erstes auf, dass die Preset-Liste im Plug-in leider leer geblieben war. Das ist sehr schade, könnte man sich doch damit schnell einen ersten Eindruck über das Potenzial von Einklang verschaffen. Den entsprechenden Ordner hat Eisenberg in der Zip-Datei des Installers „versteckt“, und diesen muss man erst manuell im richtigen Verzeichnis ablegen. Nun kann man in der Standalone-Version die Presets einzeln laden – nur über das Menü, denn ein dedizierter Schalter fehlt.

Über einen Rechtsklick auf den Edelstein lässt sich dieser fest der Maus zuweisen, das heißt, jede Bewegung wird auch ohne gedrückte Maustaste übertragen. Eine hervorragende Idee! Über die [Esc]-Taste oder einen Doppelklick wird dieser Modus wieder verlassen.

Auch wenn Einklang als Klangelemente einige Instrumente „klassischer“ Natur mitbringt, so ist das Konzept dieses Synthesizers offensichtlich nicht die Emulation von „Naturklängen“, und ein Baustein allein haut einen klanglich nicht gerade vom Hocker.

Vielmehr führt das stufenlose und intuitive Morphing von organischen und synthetischen Sounds zu sehr interessanten und neuartigen Ergebnissen – hier liegt mit Abstand die Stärke von Einklang. Es wäre insofern toll, wenn man diese Bewegungen auch per integriertem Envelope oder Stepsequenzer vorgeben könnte. Ja nicht einmal mit Standard-Funktionen wie LFO, Velocity oder Aftertouch lassen sich die timbralen Mulationen steuern – das ist eindeutig deutlich zu viel Purismus.

Leider muss man sich vorerst durch das Automationssystem der jeweiligen DAW behelfen, an das Einklang im Übrigen alle Parameter übermittelt – so auch die drei Morphing-Richtungen „1-2“, „2-3“ und „3-1“.

Auch hätte es nicht geschadet, noch einen Lautstärkeregler einzubauen, da die Sounds je nach Konfiguration teilweise stark im Pegel variieren.

Während sich die Drehregler „Attack“ und „Release“ von selbst erklären, werkelt „Percussion“ etwas komplexer. Mit nur einem Bedienelement übernimmt dieser Macro-Parameter im Grunde „Decay“ und „Sustain“ einer herkömmlichen ADSR-Hüllkurve gleichzeitig. So lässt sich auch ein Kontrabass als eine ewig anhaltende Fläche oder nur dessen Einschwingphase wiedergeben. Wer nun erwartet, man könne eine Violine stufenlos von Legato bis Pizzicato hindrehen, wird aber enttäuscht.

Im Standalone-Betrieb bietet Einklang diverse Options-Menüs.

Vorsicht sei bei einigen Sounds beim Einstellen des Release-Parameters geboten! Durch die vermehrte Überlagerung von Stimmen schlug die CPU-Anzeige in Ableton Live schon um 50 % aus, sobald sich der Regler auf 3 Uhr befand; ganz nach rechts gedreht kam es sogar zur Vollauslastung und den damit verbundenen, knacksenden Aussetzern. Ein ähnliches Verhalten tritt bei sehr niedrigen „Harmonicity“-Werten auf. Dieser Parameter nähert den Sound einem rausch- ähnlichem Spektrum an, und schon auf 11 Uhr ist so gut wie keine Tonalität mehr zu erkennen.

„Reduktion auf das Wichtigste“ lautet also das Motto bei diesem Instrument. Dass die Sounds nicht mit Effekten wie Delay, Reverb oder Chorus aufgeblasen sind, folgt dem puristischen Ansatz – das kann man gut finden. Insgesamt liegt Einklang aber ein etwas spröder Sound zugrunde. Denn gerade diese ungewöhnlichen Klangverläufe und die in Verbindung Dissonance und Harmonicity bis ins geräuschhafte verdrehten Sounds verlangen nach Reverb-Effekten, die man möglichst ebenso in die Klangbearbeitung (Hüllkurve, Velocity etc.) mit einbeziehen möchte.

Im Standalone-Betrieb ist Einklang mit einer einfachen Menüleiste versehen, um u. a. Audiointerface und Puffergrößen einzustellen. Leider kann man die Bedienelemente nicht per Learn-Funktion einem MIDI-Controller zuweisen. Über das Options-Menü muss man für dies durch manuelle Eingabe des MIDI-CCs umsetzen – bei nur elf Parametern geht das aber recht fix.

Fazit

Durch die stark abgespeckte Parametrisierung und intuitive Bedienung steht Einklang in deutlichem Kontrast zu der abstrakten Parametrisierung der meisten Synthesizer. Mit Einklang gelingen selbst den absoluten Programmiermuffeln die unglaublichsten Klangverläufe.

Gerade deswegen verwundert es schon, dass das Konzept kaum Möglichkeiten vorsieht, diese Klangverläufe auf ebenso intuitive Weise zu performen. Hier fehlen sowohl ein schnelles Controller-Mapping mit Learn-Funktion als auch die Klangsteuerung per LFO, Velocity, Aftertouch etc. Wir sind also schon sehr auf das nächste Update gespannt.

Potenzial hat dieser Synth jede Menge – und zum aktuell drastisch gesenkten Preis sollte man Einklang definitiv eine Chance geben.


Hersteller/Vertrieb Eisenberg

Preis 39,—Euro

Internet: www.eisenberg-audio.de

+ übersichtliche GUI

+ einfacheBedienung

+ interessantes Konzept

– keine interne Modulation des„Gems“

– hohe CPU-Belastung bei langenRelease-Zeiten

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