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Shure MV7 – Podcast-Mikrofon im Test

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Shure MV7

Zu den beliebtesten Mikros für Podcasts und YouTube-Videos gehört seit Jahren das gute alte Shure SM7B, ein hochwertiges Broadcast-Mikro, das in praktisch jeder Umgebung Stimmen in professioneller Qualität einfängt – vorausgesetzt, man verfügt über einen rauscharmen Preamp und ein ordentliches Audio-Interface. Noch einfacher soll das mit dem neuen Shure MV7 gelingen, denn man kann es per USB direkt an den Computer anschließen. Alternativ lässt es sich aber auch ganz »traditionell« analog nutzen. Und günstiger ist es auch noch!

Äußerlich ist eine gewisse Familienähnlichkeit nicht abzustreiten: Wie das gute alte SM7B kommt Shures Neuzugang in einem zweckdienlichen Design. Das Mikrofon hat eine grob zylindrische Form mit frontseitiger Besprechung und einem mittig angebrachten Haltebügel. Perfekt für die Montage an einem Broadcast-üblichen Tischmikrofonarm; aber auch an einen normalen Mikrofonständer, wie man ihn auf Bühnen oder im Studio verwendet, kann man das MV7 bestens befestigen. Das MV7 ist etwas kürzer und gedrungener als sein berühmter Bruder, und anders als das SM7B, das ausschließlich in Schwarz erhältlich ist, gibt es das MV7 in zwei Farben, Schwarz und Silber.

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Die Front ist mit einem Schaumstoffüberzug bedeckt, hinter dem sich der Einsprechkorb aus Metallgeflecht befindet, der die dynamische Tauchspulkapsel schützt. Der Mikrofonkorb ist ähnlich konstruiert wie bei einem Bühnenmikro wie dem SM58. Wir finden hier also nicht den cleveren Aufbau des SM7B, wo die Kapsel rund 50 mm tief hinter der Einsprechöffnung montiert ist, sodass immer ein gewisser Lippenabstand gewahrt bleibt. Beim MV7 muss man selbst auf den nötigen Abstand achten, um Popplaute auszuschließen.

Unterschiede zeigen sich auch beim Blick auf die Rückseite: Während beim SM7B hier zwei Schalter für Low-Cut und Präsenzanhebung zu finden sind, die gewisse Anpassungen an Stimme bzw. Verwendungszweck gestatten, bietet das MV7 keinerlei Hardware-Schalter. Stattdessen sind auf der Rückseite zwei Anschlüsse eingelassen: eine XLR-Buchse für die analoge Betriebsart und ein Micro-USB-Port für die digitale Betriebsart. Es liegen zwei jeweils drei Meter lange Kabel bei mit USB-A- bzw. USB-C-Stecker am anderen Ende. Zur digitalen Betriebsart gehört auch ein Kopfhöreranschluss im Miniklinkenformat; geregelt wird der Kopfhörerpegel bzw. das Mischungsverhältnis über eine Touchbar mit leuchtenden LEDs auf der Oberseite hinter dem Mikrofonkorb.

Oben ein XLR-Analogausgang, unten ein Micro-USB-Anschluss und ein Kopfhörerausgang

En Detail

Das MV7 wirkt sehr robust; sein Gehäuse besteht vollständig aus Metall. Mit einem Gewicht von 550 g wiegt es in etwa so viel wie ein typisches Großmembran-Kondensatormikrofon. Der Schallwandler ist, wie angesprochen, jedoch dynamischer Bauart. Zum analogen Betrieb über seinen XLR-Ausgang benötigt das MV7 daher keine Phantomspeisung; der Ausgangspegel ist allerdings auch niedriger als bei einem Studio-Kondensatormikro. Mit 1,78 mV/Pa (entspricht –55 dBV re 1 Pa) ist das MV7 bei gleicher Schalleinwirkung aber etwa 4 dB »lauter« als das notorisch pegelschwache SM7B. Das klingt unbedeutend, macht in der Praxis aber einen Unterschied, denn so sollte das MV7 in der Regel mit den eingebauten Preamps eines Audio-Interfaces auskommen, während für das SM7B ein externer Preamp mit mindestens 60 dB Gain oder zumindest ein In-Line-Preamp wie der Triton Audio FET-Amp eingeplant werden muss.

Per USB lässt sich das MV7 recht universell verwenden. Für Mac und Windows gibt es die ShurePlus MOTIV Desktop-App, die vielfältige Einstellungen bietet, darunter Klang-Presets ähnlich derer des SM7B, d. h. Low-Cut und Präsenzanhebung. Sogar ein Limiter und ein vierstufiger Kompressor sind integriert, was gerade für Live-Podcasts ein echtes Plus ist. Die Klangverarbeitung geschieht auf digitaler Ebene, hat also keine Auswirkungen auf das analoge Signal an der XLR-Buchse. Über die ShurePlus MOTIV App lässt sich auch das Monitoring einstellen, d. h. das Mischverhältnis zu einem eventuell vorhandenen Playback und die Kopfhörerlautstärke. Letzteres lässt sich am Mikro nachregeln, indem man den Umschalter zwischen Mic Gain und Phones Level länger gedrückt hält. Nun regelt die Touchbar das Mischverhältnis. Prinzipiell funktioniert das recht gut, allerdings reagiert die Touchbar etwas träge, was eine präzise Regelung erschwert. Immerhin ist die Neigung zu Handgeräuschen geringer als bei »echten« Potis und Schaltern. Ganz ohne Nebengeräusche gelingt ein Nachregeln im laufenden Betrieb jedoch selten.

Am Mac ist die Latenzperformance – sofern diese überhaupt relevant ist – recht gut. Im niedrigsten Puffersetting von 32 Samples beträgt die Ausgangslatenz 3,31 ms; die Eingangslatenz liegt bei 4,04 ms. Da das MV7 über internes Direkt-Monitoring verfügt, sind Treiberlatenzen aber nur in den seltensten Fällen von Bedeutung. Ärgerlich fand ich jedoch, dass es für den Betrieb unter Windows keine ASIO-Treiber gibt, denn nicht alle DAWs erlauben die Nutzung von MME-Treibern. Hier muss man sich mit einem Universal-Treiber wie ASIO4all behelfen.

Darüber hinaus lässt sich das MV7 auch an iPads und iPhones (ab iOS 12) mit Lightning-Anschluss betreiben. Zu iPads mit USB-C-Anschluss ist das MV7 laut Hersteller inkompatibel. Ein Lightning-Kabel (1 Meter) bietet Shure als optionales Zubehör an; an meinem iPad Air funktionierte das MV7 problemlos mit dem mitgelieferten USB-Kabel in Verbindung mit Apples Lightning-Adapter. Prinzipiell ist das MV7 auch zu Android kompatibel (ab Oreo 8.0), allerdings nur für Recording-Applikationen, und aufgrund der enormen Modellvielfalt kann man nicht davon ausgehen, dass jedes Android-Phone mitspielt. Wichtig ist u. a. ein USB-Speisestrom von mindestens 100 mA. Auf der Hersteller-Website sind einige populäre Android-Smartphones gelistet, die Shure erfolgreich getestet hat, darunter auch mein Samsung S7, für das mir jedoch ein passender Micro-USB-Adapter fehlte.

Die Touchbar ist nur in der USB-Betriebsart aktiv. Er regelt wahlweise den Mikrofonpegel, die Kopfhörerlautstärke oder das Mischungsverhältnis. Links befindet sich ein Mute-Taster.

Klang & Praxis

Das MV7 hat einen klaren, leicht mittenbetonten Sound, der gezielt auf die menschliche Stimme abgestimmt ist. Damit ist es nicht so flexibel einsetzbar wie Shures Klassiker SM7B, aber für die angestrebten Anwendungen, d. h. Podcast und Sprache generell, kann das MV7 voll überzeugen. Der von mir gemessene Frequenzgang des Testmusters entspricht recht genau dem herstellerseitigen Sollfrequenzgang. Wir sehen einen allmählichen Anstieg zu den oberen Mitten mit einem Maximum bei 6 kHz. Der Übertragungsbereich reicht bis etwa 14 kHz (–6-dBPunkt), was für ein dynamisches Mikrofon durchaus üblich ist. Die Bassübertragung wirkt in der Messung bei 33 cm Abstand recht schlank. In praxisüblichen Lippenabständen von wenigen Zentimetern kommt aber ein kräftiger Nahbesprechungseffekt hinzu, was unterm Strich zu einer ausgeglichenen Frequenzdarstellung führt. Die Stimme klingt satt und voluminös. Auch Konsonanten werden recht präzise eingefangen, wobei die Zischlaute nie unangenehm scharf werden, im Gegensatz zu manchem Kondensatormikro. Im Vergleich zum teureren SM7B wirkt das MV7 etwas weniger detailliert. Der Übertragungsbereich des SM7B reicht etwas weiter in die Höhenfrequenzen und auch tiefer in den Basskeller, gleichzeitig sind seine Mitten neutraler abgestimmt; nicht umsonst gilt es als Allzweckwaffe, die neben Sprache und Gesang auch bestens für Kick-Drum, Snare, E-Gitarre, E-Bass, Bläser u.v.m. zu gebrauchen ist. So vielseitig ist das MV7 nicht, obwohl es sich zumindest auch am Gitarrenverstärker gut schlägt.

Der Frequenzgang des MV7 steigt zu den oberen Mitten langsam an und fällt – typisch für ein dynamisches Mikrofon – in den Höhen rasch ab. Über die ShurePlus MOTIV App lassen sich ein Low-Cut und eine Präsenzanhebung aktivieren, die aber nur im USB-Betrieb wirksam sind.
Zum Vergleich: Das bewährte Shure SM7B bietet einen etwas weiteren Frequenzgang mit tieferen Bässen und mehr Höhenanteilen oberhalb 10 kHz. Low-Cut und Präsenz-Schalter arbeiten über Passiv-Filter.

Das teurere SM7B hat zudem gewisse Handling-Vorteile gegenüber dem MV7: geringere Klangverfärbung außerhalb der Mikrofonachse, geringere Kabelgeräusche und auch eine etwas geringere Poppempfindlichkeit. Nichtsdestotrotz ist das MV7 in all diesen Belangen im grünen Bereich, es ist nur eben so, dass das SM7B aufgrund seiner cleveren Konstruktion in Sachen Handling Maßstäbe setzt. Ein echter Vorteil des MV7 ist dagegen die Möglichkeit, es direkt an den Computer anzuschließen. Die ShurePlus MOTIV App ist leicht zu bedienen und praxisgerecht ausgestattet. Das Kopfhörer-Monitoring arbeitet ohne merkliche Latenz und gestattet dank des Mix-Reglers auch das Einspielen bzw. Einsingen von Overdubs zu bestehenden Spuren. Man sollte jedoch einen einigermaßen »lauten« Kopfhörer verwenden, d. h. einen mit hoher Empfindlichkeit und eher niedriger Impedanz, denn die Ausgangsleistung des Phones-Out ist begrenzt. Das liegt schlichtweg am USB-Bus-Powering, das nicht sehr viel Energie liefert, erst recht für USB-Devices, die auch an iPad & Co laufen sollen, welche nochmals weniger Strom liefern als ein USB-Computer-Port.

Ein großes Plus gegenüber anderen USB-Mikrofonen ist der zusätzliche Analogausgang. So lässt sich das MV7 nahtlos in ein bestehendes Studio-Setup integrieren. Hoch interessant ist die gleichzeitige Nutzung beider Ausgänge. Beispielsweise könnte man die USB-Betriebsart inklusive Low-Cut, Präsenzanhebung und Kompressor/Limiter für einen Live-Podcast nutzen, um ein »lautes« Signal mit exzellenter Sprachverständlichkeit zu präsentieren, während man das unbearbeitete Analogsignal simultan auf einem Recorder oder Zweitrechner aufzeichnet, um sich alle Möglichkeiten zur Nachbearbeitung offen zu halten. Schließlich werden die meisten Livestreams anschließend archiviert – wobei die Erwartungen an die Audioqualität beim »Nachhören« ein ganzes Stück höher liegen als live, wo man Lautstärkeschwankungen und kleinere Aussetzer gerne verzeiht. Mir fällt spontan kein anderes USB-Mikrofon ein, das wie das Shure MV7 ein analoges »Sicherheitsnetz« bietet.

Neben den Einstellungen, die sich auch am Mikrofon justieren lassen, bietet die ShurePlus MOTIV Desktop-App Presets für Low-Cut und Präsenzanhebung, einen fixen Limiter sowie einen in vier Stufen regelbaren Kompressor. Daneben gibt es einen vereinfachten Auto-Level-Modus. Die Einstellungen lassen sich gegen unabsichtliches Verstellen sperren.

Fazit

Wer ein Mikrofon sucht, das Sprache und Gesang auch in akustisch schwierigen Umgebungen sauber und trocken einfängt, der liegt mit dem Shure MV7 goldrichtig. Dank seines eingebauten USB-Audio-Interfaces und digitalem Processing in Form von Kompressor, Limiter und schaltbarem Low-Cut bzw. Presence-Boost liefert das MV7 ohne weitere Peripherie ein »fertiges« und »lautes« Signal für Podcasts. Gleichzeitig kann man über den analogen Ausgang ein unbearbeitetes Backup recorden bzw. das MV7 in Verbindung mit einem externen Audio-Interface als »normales« Mikrofon zur Musikproduktion verwenden. Auch wenn es nicht ganz die Klangleistungen und herausragenden Handling-Eigenschaften von Shures bewährtem (und teurerem) Broadcast-Mikrofon SM7B erreicht, weiß das MV7 auch in diesen Disziplinen zu überzeugen. Zumal das MV7 durchaus einen nicht ganz unwichtigen Vorteil für sich verbuchen kann: Es liefert deutlich mehr Analogpegel als das SM7B, sodass man mit den internen Preamps des Audio-Interfaces auskommen sollte. Wer sich nicht entscheiden kann, darf beruhigt sein: Mit beiden Mikrofonen kann man eigentlich nichts falsch machen. Das MV7 ist ein ungemein praktisches Mikrofon für hier und heute; das SM7B ist und bleibt der zeitlose, Michael-Jackson-erprobte Klassiker.

Während das Shure SM7B (rechts) per Metallkorb für 50 mm Mindestabstand zur Kapsel sorgt, ist das MV7 eher aufgebaut wie ein Gesangsmikrofon; seine Kapsel liegt nur ca. 5 mm hinter dem Einsprechkorb.

Hersteller/Vertrieb: Shure
UvP/Straßenpreis: 285,– Euro / ca. 250,– Euro
Internet: www.shure.com

Unsere Meinung:
+++ USB- und Analogausgang
++ internes Direkt-Monitoring
++ sprachoptimierter Sound
++ integriertes Processing im USB-Betrieb
– kein ASIO-Treiber für Windows

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