Die Auferstehung

Roland TR-8 Drumcomputer

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Im Vorfeld haben sich die Drumcomputer-Aficionados die Köpfe heiß spekuliert: Wird die neue TR-808 ein Gerät mit analoger oder digitaler Klangerzeugung werden, ist es nur ein Controller mit Software, kostet sie einen Arm und ein Bein? Jetzt muss die TR-8, der langerwartete Nachfolger der größten Drumbox-Legende, in gigantische Fußstapfen treten. Ist die Mission gelungen?

(Bild: Dieter Stork)

Natürlich schreiben wir nicht mehr das Jahr 1981 (das Geburtsjahr der TR-808), und es gelten ganz andere kulturelle Parameter. Eines aber ist geblieben: Die Produktion von Musik ist nach wie vor eine physische Angelegenheit, und je mehr die menschliche Physis involviert ist, desto lebendiger werden oft die Ergebnisse. Daher ist ein Drumcomputer mit klassisch bewährter Bedienphilosophie und Features wie Lauflichtprogrammierung auch heute noch ein großartiges Produktionswerkzeug, das den Ideenfluss in ganz andere Bahnen lenkt als eine sehnenscheidenentzündende Computermaus.

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Die TR-8 ist Teil der AIRA-Produktlinie, zu der u. a. auch der TB-303-Nachfolger TB-3 und der System-100-Synth gehören, und präsentiert sich als waschechte Standalone-Drummachine. Sie arbeitet mit einer digitalen Klangerzeugung, erzeugt die Sounds von TR-808 und TR-909 und ist zu einem über – raschend günstigen Preis von 499,– Euro zu haben.

Sexappeal

Roland hat darauf verzichtet, die TR-808 vom Design her zu kopieren, wie es etwa Korg mit dem MS-20 gemacht hat. Trotzdem erkennt man sofort, dass es sich um einen nahen Verwandten handelt: Die wichtigsten Bedienelemente liegen da, wo man es erwartet. Alles ist sehr übersichtlich und Performanceorientiert gestaltet. Elf angenehm zu bedienende Fader regeln die Lautstärke der Perkussion-Instrumente. Eigenwillig wirkt der grüne Rand, edel die schwarze Bedienoberfläche aus gebürstetem Metall. Richtig sexy präsentiert sich die TR-8 im Dunkeln; dann leuchten die Fader-Bahnen grün und die nicht anschlagdynamischen, transparenten Lauflicht-Taster in den Farben des 808-Originals oder je nach Betriebsart in anderen Farben. Das vierstellige Old-school-Display dient in erster Linie nur zur Tempodarstellung – das ist okay, denn man benötigt es ansonsten kaum. Dem Temporegler hat man einen Tap-Taster zur Seite gestellt.

Sequenzer

Bei der Lauflichtprogrammierung hat man sich weitgehend ans TR-808-Vorbild gehalten, was Vorteile und Nachteile hat. Wie beim Original erklingen maximal elf Instrumente, und es ist eine Schrittlänge von maximal 32 Steps möglich. Neben der Step-Programmierung bietet die TR-8 auch die Möglichkeit des Realtime-Recordings.

Einen Song-Modus gibt es nicht, dafür lassen sich wie bei der TR-909 aber nebeneinanderliegende Patterns verketten. Der Speicher fasst 16 Patterns plus jeweils eine Variation. Hallo? Nur 16 Patterns? Fehlt da nicht eine 0? Minimalismus und Original-Treue in allen Ehren, aber da hat Roland ein Eigentor geschossen, denn mit 16 Patterns kann man nicht mal einen längeren Live-Gig bestreiten. Den fehlenden Song-Mode kann man verschmerzen, aber so zu tun, als wäre Speicherplatz noch mit Gold aufzuwiegen, ist ein wenig zu viel der Retro-Seligkeit.

Eine Akzent-Funktion ist natürlich auch implementiert, nicht an Bord sind aber zwei Features der TR-909, die man ganz gerne auch dabei hätte (und die vielleicht ein Thema fürs nächste Update sein könnten): Das Original bot nämlich die Möglichkeit, pro Step eine reduzierte Lautstärke anzuwählen; außerdem wurde die Flam-Funktion der 909 vergessen. Dafür sind eine stufenlose Shuffle-Funktion und vier Roll-Varianten an Bord.

Das Wichtigste ist aber die Tatsache, dass der Sequenzer sehr gut groovt, wenn auch die ganz leichten Schwankungen der analogen TR- 808 etwas anders klingen.

Maschinen-Kommunikation

Alle Reglerbewegungen werden erfreulicherweise als MIDI-CC-Controllerdaten ausgegeben und lassen sich somit in der DAW aufzeichnen. Über USB kann die TR-8 die Sounds auch als elf Einzelspuren plus Stereospur im Format 24 Bit/ 96 kHz an die DAW ausgeben und als AudioInterface agieren. Die Vorrausetzung ist allerdings, dass man die Projekteinstellungen der DAW auch auf 24 Bit und 96 kHz setzt.

Effekte

Die TR-8 verfügt über zwei On-Board-Effekte, Reverb und Delay, die pro Step aktiviert werden können. Dadurch erweitern sich die klanglichen Möglichkeiten der TR-8 extrem; auch experimentellere Grooves lassen sich mit ihrer Hilfe erstellen. Man kann mehrere Effekt-Typen anwählen – welche das sind, darüber schweigt sich das magere Manual aus.

Neben den beiden Effekt-Sektionen gibt es noch einen praktischen Ducking-Effekt, der ebenfalls pro Step für den externen Stereoeingang programmiert werden kann.

Der zusätzliche Kompressor auf Snaredrum- und Bassdrum-Kanal erleichtert das Sounddesign im Vergleich zu den Originalen erheblich. (Bild: Dieter Stork)

Scatman

Mit der Scatter-Funktion lassen sich typische Zerhacker-Loop-Effekte erzeugen, um z. B. Complextro-artige Grooves zu erzeugen. Es gibt zehn Einstellungen, allerdings erfordert der Einsatz meist gutes Timing und etwas Glück, wenn man zu guten Resultaten kommen will.

Ich würde mir zudem noch eine Möglichkeit wünschen, eigene Scatter-Variationen (z. B. mit Vierteltriolen) zu importieren. Der Scatter-Effekt ist übrigens über USB nur auf der Stereosumme und leider nicht auf den Einzelspuren zu hören.

Behavorismus

Die elfstimmige Klangerzeugung der TR-8 basiert auf Modeling-Algorithmen. Diese wurden durch die Analyse des Verhaltens der analogen Schaltkreise in den Original-Maschinen erstellt und bilden sie virtuell nach – dieses Verfahren nennt Roland „Analog Circuit Behavior“.

Die Parametrisierung der Bedienoberfläche orientiert sich an den Originalen: Alle Instrumente verfügen über Tune- und Decay-Regler, dazu kommen noch die bekannte „Snappy“- Funktion für den Rauschgenerator der Snare und ein Impulsgenerator für den Attack der Bassdrum. Die beiden letztgenannten Instrumente wurden außerdem jeweils mit einem praktischen Kompressor ausgestattet.

Sound

Analog, digital, scheißegal: Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Und hier macht die TR-8 die entscheidenden Big Points: Sie besitzt einen druckvollen und crispen Klang, die den Originalen sehr nahe kommt. Die klanglichen Unterschiede zu den Vorbildern sind zwar subtil, aber vorhanden: Generell besitzt die TR-8 im Vergleich einen etwas „Hi-Fi-artigeren“ Klangcharakter, d. h., die oberen Höhen und die Tiefbässe werden betont und die Mitten leicht abgesenkt; die Originale (insbesondere die TR-909) sind in den mittleren Frequenzen eine Spur kraftvoller. Dafür klingt die TR-8 etwas moderner und natürlich auch rauschfreier als die Oldies; manchmal wünscht man sich sogar eine kleine Rauschfahne, aber das lässt sich ja auch in der DAW „nachrüsten“.

Damit man die TR-8 mit ihren Analog-Vorbildern vergleichen kann, haben wir jeweils zwei Patterns mit der TR-808 und der TR-909 erstellt und diese auf der TR-8 nachprogrammiert. Dazu muss allerdings angemerkt werden, dass jedes der analogen Original-Geräte bedingt durch Bauteilabweichungen etwas anders klingt.

Besonders gelungen ist die 808-Bassdrum der TR-8, die sich mit dem Kompressor sehr gut in Tracks integrieren lässt. Der Großteil der Percussion-Instrumente (Toms, Bongos etc.) der TR-8 entspricht ebenfalls weitgehend den Vorbildern, der 808-Clap des neuen Gerätes klingt ein wenig „schmaler“, und die HiHats (insbesondere die der 808) wirken etwas spitzer.

Neben den Klängen, die sich an den TR-Maschinen orientieren, gibt es auch Eigenkreationen, die sich gut einsetzen lassen.

Praxis

Mit der TR-8 lässt sich sehr entspannt arbeiten, da es keine Menüs gibt. Man hat wie bei den Originalen einen intuitiven Zugriff auf alle wichtigen Parameter, und die gelungene Bedienoberfläche ist mehr oder weniger selbsterklärend. Der Regelbereich mancher Potis (Effekte) und die Dimension des Tap-Tasters könnten ein wenig größer sein, aber sonst ist alles sehr gut gestaltet.

Einige Funktionen wie etwa die Wahl des MIDI-Kanals oder die Belegung der Einzelausgänge kann man allerdings nur etwas umständlich per Neustart in Verbindung mit einer Tastenkombination anwählen.

Die Sounds lassen sich in 16 Kits frei zusammenstellen, Mischungen verschiedener Instrumente sind möglich. Es stört nur, dass alle Änderungen sofort gespeichert werden und man eine Undo-Funktion vermisst; dieses Problem, das vor allem den Live-Performer einschränkt, nervt auch bei der Modifikation der Patterns.

Als weitere Features lassen sich die Panorama-Einstellungen der Sounds mit einer Tastenkombination einstellen, es gibt einen speziellen Boost-Modus, der nach einem Neustart aktiviert werden kann und der TR-8 zu einem größerem Ausgangs-Level verhilft, und mit dem Clear-Taster lassen sich Instrumente während des Realtime-Recordings On-The-Fly-löschen.

Wunschliste

Ganz oben auf der Wunschliste stehen zwei Dinge: Liebe Roland-Weißkittel, bitte implementiert eine Undo-Funktion, damit man gerade live nach schweißtreibenden Schrauborgien wieder zum Ausgangspunkt des Geschehens zurückkehren kann, und sorgt für einen größeren Pattern-Speicher. Ansonsten wäre natürlich mehr Soundmaterial toll, und wir würden uns freuen, wenn man die USB-Audio-Kommunikation auch mit 44,1 kHz betreiben könnte.

Fazit

Die TR-8 ist der neue Platzhirsch unter den Drumcomputern seiner Preisklasse. Wer klassische Drumsounds liebt und nicht für die schwer zu bekommenen Originale auf die nächsten zwei oder drei Urlaubsreisen verzichten will, hat jetzt eine preisgünstige Alternative, die den Vorbildern sehr nahekommt und mit ein paar schönen Extra-Features wie etwa den Step-Effekten oder den Kompressoren ausgestattet ist.

Dank des digitalen Innenlebens lässt sich zum Glück einiges nachrüsten. So hoffen wir auf die Bestätigung des Gerüchtes, dass im nächsten Update zusätzliches Klangmaterial weiterer Roland-Klassiker wie der TR-707 und der CR-78 enthalten sind. Nachbessern sollte man unbedingt auch bei der Anzahl der Speicherplätze und das fehlende Undo nachreichen. Ansonsten ist den Roland-Machern ein suchterzeugendes Gerät mit hohem Spaß- und Kreativ-Faktor gelungen, das für einen günstigen Preis zu haben ist.

Hersteller/Vertrieb: Roland

Internet: www.rolandmusik.de

UvP/Straßenpreis: 525,— Euro / ca. 500,— Euro

+ sehr gute Klangeigenschaften

+ intuitive Bedienung

+ günstiger Preis

– nur 16 Patterns

– keine Undo-Funktion

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