Die Legende lebt

Roland Jupiter-80 – Synthesizer im Test

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Der Roland Jupiter-8 ist einer der am meisten gefragten Vintage-Synths, prägte er doch den Sound unzähliger Synthie-Pop-Produktionen der 80er wie kaum ein anderes Instrument. Ob der Roland Jupiter-80 an diese Erfolge anknüpfen wird – die Zeit wird es zeigen. Anfang des Jahres 2011 kann man bereits sagen, dass Roland mit dem Jupiter-80 ein neuartiges Synthesizer-Konzept vorlegt, dem Aufmerksamkeit gebührt.

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http://youtu.be/71L1elA18pY

Mit der Juno-Reihe ließ Roland bereits einen klangvollen Namen der 80er wieder aufleben und brachte viel frischen Wind ins mittlere Preissegment – kompakte Workstations mit viel Leistung für kleines Geld (siehe auch Vergleichstest in KEYBOARDS 3.2011). Mit dem Jupiter-80 läutet der japanische Hersteller jetzt eine neue Ära der Performance-Synthesizer ein. Das Design des Jupiter-8 bringt Roland gekonnt in die Gegenwart zurück. Der Jupiter-80 sieht einfach klasse aus, setzt aber einige Akzente, die im Synthesizerbereich ungewohnt erscheinen bzw. lange nicht mehr zu sehen waren: Bedienfeldbeschriftungen wie Trombone, Flute und Oboe können bei gestandenen Synthesisten spontan zu Irritationen führen, während diese Buttons, wie man sie unterhalb der Tastatur vorfindet, gar an Registrierungen von Entertainer-Orgeln der Atelier-Serie erinnern.

MuckerSynthOrgelPiano?! Wer schon jetzt mit einer solchen Bemerkung abwinkt, sollte vielleicht einen Moment innehalten. Denn Roland legt hier ein neues Konzept vor, dem Aufmerksamkeit gebührt. Zunächst vereint Roland hier einige schon bekannte Technologien: „Super NATURAL Acoustic Tones“ dürfte aufgrund der aktuellen Stagepianos und Expansions für die Fantom-Workstations bereits vielen ein Begriff sein, handelt es sich doch um das am meisten ausgefuchste Klangerzeugungsverfahren, das man derzeit in samplebasierten Instrumenten vorfindet. „SuperNATURAL-Synth Tones“ steht hier für Analog-Modeling-Synthese, wie wir sie z. B. aus Rolands Synthesizer Gaia kennen.

Ebenso im Boot ist Rolands „Behaviour Modeling“-Technik, deren erste Ableger man bereits im V-Synth GT vorfand. Anhand der genannten Bestandteile deutet sich an, dass beim Jupiter-80 vor allem eine Sache im Fokus steht: Ausdrucksstärke! Das hört man den Sounds auf Anhieb an, allerdings braucht man schon eine Weile, um herauszufinden, welches Potenzial sich aus diesen Sounds spielerisch herauskitzeln lässt. Damit darf ich schon mal festhalten: Roland richtet sich an jene Musiker, die sich unter „Keyboard spielen“ deutlich mehr vorstellen als Filterverläufe bei laufendem Arpeggiator zu schrauben – wenngleich das natürlich auch mit dem Jupi-80 geht. Aber der Reihe nach …

Roland Jupiter-80_02

Über Tones, Live-Sets, Parts & Registrations

Zum Performen von Sounds haben sich PARTS wie Upper und Lower bewährt. Diese findet man auch beim Jupiter-80 nebst Solo- und Percussion-Part. Um dieses System zu verstehen, bedarf es keines einzigen Blickes in die Anleitung, denn es liegt vor einem wie ein offenes Buch: Die Parts werden durch die bunt leuchtenden Tastergruppen repräsentiert, die für die Anwahl von konkreten Klangfarben wie Brass, Strings, Guitar etc. vorgesehen sind. Links neben dem Display finden sich dann auch gleich vier Regler und Taster, jeweils einer pro Part: Hier lassen sich die Parts ein- und ausschalten sowie in der Lautstärke justieren.

Die vier Parts des Roland Jupiter-80 lassen sich im Handumdrehen organisieren: Part einschalten, Sound anwählen und spielen. Das funktioniert auf Anhieb gut und macht Spaß, da man mit der Schichtung der Sounds schon richtig komplexe Sachen machen kann und automatisch dramaturgisch performt, indem man Parts ausschaltet, im Refrain wieder hinzunimmt etc. Ebenso lassen sich die Parts splitten, wobei die 76erKlaviatur reichlich Platz bietet. Das sind Standard-Funktionen, die man als Bandkeyboarder ständig braucht. Der Jupiter-80 punktet hier schon mal, da man Soundstacks oder Split-Zonen für z. B. „Pad plus Leadsound“ spontan einstellen kann. Dies gilt aber nur, solange man auf der oberen Bedienebene bleibt, darunter geht’s dann auch ans Eingemachte, aber dazu später mehr.

Ein Part setzt sich bereits aus einem komplexen Tongemisch zusammen. Zumindest gilt dies für die Parts Upper und Lower, die jeweils aus vier TONES gebildet werden. Solo und Percussion beinhalten jeweils einen Tone. Dabei muss die Solo-Sektion nicht – wie vielleicht die Bezeichnung vermuten lässt – monofon gespielt werden. Sie kann ebenso wie Lower, Upper und Percussion polyfon gespielt werden, wobei Letztere auch nicht zwingend für Percussion-Sounds ausgewiesen ist und auch beliebige Keyboard-Sounds wiedergeben kann.

Ein Tone wiederum stellt die kleinste Einheit der Klangerzeugung dar und ist bereits ein vollständiger Synthesizer. Man kann sich vorstellen, dass bei gelayerten vier Parts plötzlich eine Menge los sein kann. Dank 256-facher Polyfonie geht dem Jupiter-80 selbst bei solchen Maximal-Layern nicht die Puste aus, und man kann beherzt in die Vollen greifen – wenn man es denn unbedingt will, denn manche Komplett-Patches – diese heißen hier REGISTRATIONS – setzen ein wahres Klanginferno frei. Um das beim Roland Jupiter-80 in den Griff zu bekommen, schaltet man dann besser einzelne Parts aus – das ist der schnelle Weg. Oder – und das ist der wirklich schlaue Weg – man setzt den Blender ein. Ein geniales wie mächtiges Feature des Jupiter- 80, das einigen vielleicht als Parameter-Morphing bekannt ist (s. u.).

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Sounds des Roland Jupiter-80

Je mehr man sich mit den Sounds spieltechnisch auseinandersetzt, desto mehr Spaß macht dieser Jupiter. Und mit über 2.500 Live-Sets aus allen erdenklichen Sparten der Sounddesignkunst ist der Jupiter-80 ein vielseitiges Instrument. Hier ist für jeden Geschmack etwas dabei, wobei neben Standards wie Piano, Streicher und Orgel sehr viele gute Synth-Sounds geboten werden. Die wichtigsten Sounds hat man dank des Part-Systems schnell im Überblick. Was sich darunter aber an Soundvarianten verbirgt, beschäftigt einen eine ganze Weile, bis man seine Favoriten organisiert hat. Nicht nur extrem viel Soundmaterial, sondern extrem gutes, das einen immer wieder zum Spielen inspiriert.

Jeder Sound ist auf das Live-Spielen zugeschnitten und hält viele Klangdetails bereit, die entdeckt werden wollen, indem man lernt, diese spieltechnisch herauszuarbeiten. Möglich wird dies durch das „Behaviour Modeling“. Ein Vorteil dieser Technik ist, dass man als Keyboarder keine zirkusreifen Kunststücke mit Fingersatz und Controllern vollziehen muss, um „Natursounds“ überzeugend mit einem Synthesizer zu imitieren. SuperNATURAL-Sounds wie Gitarren oder Saxofone sind aufwendig in vielen Details gesampelt, die das Behaviour Modeling zu instrumentenspezifischen Artikulationen zusammenfügt, wie z. B. Saitenrutscher und Hammering bei der Akustikgitarre oder variierende Tonansätze bei einem Saxofonsound – oder eben überraschende Klangverläufe, die man mit dem schon kurz erwähnten Wunderfeature auslöst …

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Return to Blender

Wer immer schon ein Tool gesucht hat, mit welchem sich Soundverläufe effizient auf komplexer Ebene steuern lassen, darf Dankesbriefe an Roland schreiben. Denn die Handhabung dieses Features ist ganz und gar nicht so komplex wie seine Wirkungsweise. Pro Tone eines Live-Sets lassen sich zwölf Parameter bedienen: Volume, Pan, Cutoff, Resonanz, Attack, Decay, Release sowie die Effekte MFX 1 – 4 und Reverb. Für jeden Parameter lässt sich ein Destination-Wert definieren. Per Aftertouch oder D-Beam z. B. kann man nun vom Initial-Wert (der im Sound gespeicherte) zum Destination-Wert faden. Für einen einzelnen Sound betrachtet ist das zunächst vielleicht überraschungsarm. Bewegt man aber einen ganzen Parametersatz gleichzeitig, hört sich das schon anders an. Der Blender braucht schon eine gewisse Einarbeitung, aber damit lassen sich wirklich beeindruckende Leadsounds oder Pad-Sweeps mit tollen Arpeggio-Fahrten spielen. Echt klasse!

Synth Tone Edit Wer fette und brachiale Synth-Sounds liebt, ist beim Jupiter-80 richtig. Die auf den ersten Blick vielleicht unscheinbar wirkende Struktur erweist sich bei genauerer Betrachtung als wahres Soundmonster. Das „Synth Tone Edit“ ähnelt dem Roland Gaia und visualisiert die Oberfläche eines klassischen Analogsynthesizers: Ein einzelner Synth-Tone besteht aus drei PARTIALS mit je einem Oszillator, resonanzfähigem Filter mit Low-, High-, Bandpass und Peak, Envelopes für Pitch, Filter und Amp sowie zwei LFOs. Neben den klassischen Synth-Wellenformen lassen sich auch PCM-Wellenformen verwenden, um hybride Sounds zu gestalten. Ein einzelner Tone kann dann schon recht komplexe Mischungen erzeugen. Layert man Upper, Lower und Solo, kann man einen Synthsound mit 27 (!) Oszillatoren bauen. Da jeder Oszillator mit Pulsweitenmodulation und Super-SAW bereits richtig fett schwingen kann, lassen sich mit dem Jupiter-80 so extrem dichte und breite Sounds schrauben, das ist eindeutig zu viel des Guten.

Übrigens zeigt das Touchscreen des Jupiter-80 hier seine Stärken. Denn trotz recht klein wirkender Displaygrafik lässt sich der Analogsynth überraschend gut handhaben und sicher bedienen. Trotzdem vermisst man irgendwie Regler zum Anfassen, mit denen man an den Synth-Tones intuitiv schrauben kann (ohne sich im Display durch die Menüs zu klicken). Mit Sound-Modify-Potis können ja selbst die kleinen Junos dienen. Trotz gutem Sound und herausragendem Blender-Feature: Das Fehlen solcher Regler ist ein dicker Minuspunkt für einen Synthesizer wie den Jupiter-80.

Roland Jupiter-80 Effekte

Ein Großteil der Effekte ist den Tones fest zugeordnet und fließt unmittelbar in die Klangprogrammierung ein. Jeder Tone der Upper- und Lower-Parts durchläuft einen eigenen MFX-Effekt; dann besitzt jeder Part eine eigene Reverb-Sektion. Das erklärt den vielschichtigen und sehr transparenten Gesamtsound des Jupiter-80. Die MFX-Sektionen bieten dabei eine riesige Palette an Effektprogrammen, die sich weitreichend editieren lassen. Modulationseffekte, Delays, Echos, Distortion, Ringmodulator, Pitchshifter, Equalizer bis zu zweifachen Effektmischungen – hier bleiben keine Wünsche offen.

Ein effektvolles Feature sind die vier MFX-Control-Felder. Pro MFX-Einheit lassen sich bis zu vier Effekt-Parameter in Echtzeit steuern, was wiederum ein Grund für die komplexen Klangmorphs des Jupiter-80 ist. Die Parts Solo und Percussion unterscheiden sich ein wenig in der Bestückung mit Effekten, wenngleich auch hier die Tones eine Effektkette, bestehend aus Kompressor, EQ und Delay, durchlaufen. Solo- und Percussion-Part teilen sich dann eine Reverb-Sektion.

 

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Guter Testbericht soweit, aber ein paar klitzekleine Aussagen stimmen nicht so ganz:

    1. Die 4 Panelfader regeln mitnichten ausschliesslich die 4 Parts, sondern stets die Hauptelemente-Level der jeweils im Display aktivierten Struktur-Ebene (z.B. die 4 Partials von z.B. Upper-Part, oder den Level der drei Tone-Partials des angewählten Tones)! Sehr praktisch übrigends! Ein generell “eingeschränktes Bedienkonzept” kann ich übrigends tatsächlich nur hinsichtlich der schmächtigen Hardwareregler-Anzahl erkennen.

    2. Schaut nochmal genau hin: Der Jupi80 hat selbstverständlich ein INTERNES Netzteil (Anschluss Kaltgerätebuchse hintenrechts)!!!

    3. Anzahl maximal aktivierbarer Partials (jeweils VCO-VCF-VCA&Doppel-LFO) PRO TASTE bei immer noch ausreichender Polyfonie: 3+4*3+4*3+3 = 30!!!

    Kurze Anmerkung noch: Der JP80 ist mit einer der klanggewaltigsten und “musikalischsten” Soundmaschinen, die ich besitze (sammle Flaggschiffe seit ca 40 Jahren, ein alter geschundener JP8 ist auch dabei). Hardcore-soundtüfteln a la Kurzweil lässt sich mit dem Gerät allemal. Die Tastatur vom Spielgefühl her wäre noch erwähnenswert gut!

    Meine Kritikpunke am JP80:
    – Die Zuordnung der beiden Aux-Ausgänge sind nicht PRO SOUND programmierbar, sondern nur global (nachteilbehaftet z.B. live bei Einsatz eines NeoVentilators);
    – Kein Aftertouch-Routing auf die LFO-Amounts möglich! Oje!
    – Keine Midi-SysEx-Befehle zum Holen/Abspeichern von Sounddaten im Bulkformat implementiert, Datenzugriff ausschliesslich über den Aktualsound-Pufferspeicher. D.h. es wird für den JP80 niemals von niemanden die bitter nötige Soundverwaltungs-Software geben (Btw., der JP80 ist aufgrund Komplexität ein echtes “Datengrab”, wie seinerzeit der SY99)!

    mfG HP.Schumann

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