Hybrid-Dampfer sticht in See

Korg Prologue im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Es kommt einem vor, als wären die 80er-Jahre in vollem Gange: Die (Hardware!-)Synthesizer-Kriege toben erbarmungslos, echte Gewinner sind bislang nur die Keyboarder, die sich jetzt auch bei den polyfonen Synths einer zunehmend großen Auswahl an Analog-Schlachtschiffen erfreuen können. Korg lässt jetzt den polyfonen HybridSynth Prologue vom Stapel, der einige Besonderheiten bietet, die bei der Konkurrenz nicht zu finden sind.

Der kleine Minilogue mit seiner klangstarken Analog-Engine war schon sehr vielversprechend. Nun legt man bei Korg eine Schippe drauf und will mit einem Flaggschiff-Synth auch alle Keyboarder, die Mini-Tastaturen hassen und mehr Stimmen und Features brauchen, ins Visier nehmen. Der Prologue ist in zwei Darreichungsformen mit 8 und 16 Stimmen verfügbar. Er arbeitet mit einer speziellen, analog/digitalen Klangerzeugung, deren Digitalpart sogar mit eigenen Oszillator-Kreationen bestückt werden kann. Außerdem ist noch eine leistungsfähige Effektsektion an Bord.

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Black Beauty

Der Prologue sieht aus, wie ein Synthesizer auszusehen hat: Er besitzt die (heute obligatorischen) hölzernen Seitenteile, haust in einem seriös-professionell anmutenden, stabilen Gehäuse aus gebürsteten Metall, bringt 7,5 kg auf die Waage und kommt wirklich sexy rüber. Die Potikappen sind ebenfalls aus Metall, was den wertigen Eindruck noch verstärkt. Die Entscheidung, die Handräder über und nicht neben der Tastatur zu positionieren, geht in Ordnung, denn die Spielhilfen lassen sich fast ebenso gut bedienen, als würden sie neben dem Keyboard liegen, und man spart doch einiges an wertvollem Platz.

Die fünfoktavige, anschlagsdynamische Tastatur, die aus den großen Korg Workstations stammt, ist leichtgängig und angenehm spielbar, besitzt jedoch keinen Aftertouch. Das Keyboard des kleineren achtstimmigen Prologue umfasst vier Oktaven.

Korg Prologue
Das OLED-Display ist nur unwesentlich größer als beim Minilogue; reizvoll auch hier die Wellenformdarstellung des Ausgangssignals. (Bild: Dieter Stork)

Es gibt zwei Displays auf dem Panel des Prologue: Das rote 7-Segment-LED-Display ist für die Wellenformen des Multi-Engine-Oszillators reserviert, das andere ist das kleine OLED-Display, das man vom Kompaktsynth Minilogue her kennt und das sehr hübsch immer die aktuelle Wellenform anzeigt. Es wirkt im Prologue nicht nur unterdimensioniert, es ist vor allem auf der Bühne schlicht zu klein; ok, die meisten Parameter liegen im direkten Zugriff, und seine Lieblingssounds kann man auf vier Bänke á acht Sounds auf Programm/Edit-Tastern direkt über der Tastatur legen; trotzdem hätte dem Prologue ein größeres Display gut zu Gesicht gestanden.

Der analoge Teil der Klangerzeugung entspricht in seinen Grundzügen dem des Minilogue: Zwei spannungsgesteuerte analoge Oszillatoren, die sich ring- und crossmodulieren lassen, liefern Sägezahn, Dreieck und Pulse; alle drei (nicht nur Pulse!) lassen sich mit dem Shape-Regler verformen, was die klangliche Flexibilität erheblich erhöht. Portamento und ein Noise-Generator sind natürlich auch an Bord.

Beim Filter handelt es sich um ein (auch im Hinblick auf den digitalen Oszillator) neuentwickeltes Tiefpassfilter mit 12 dB Absenkung pro Oktave. Es klingt gut, aber ich hätte gerne die Möglichkeit gehabt, es wahlweise auch als 24-dB-Filter zu betreiben (wie beim Minilogue). Dafür gibt es eine nützliche Drive-Schaltung, mit der man das Filter übersteuern kann. Sehr willkommen ist außerdem die Low-Cut-Schaltung, mit der man ungewollte Bassfrequenzen (etwa bei Pads) begrenzen will.

Zur weiteren Klanggestaltung stehen (leider nur) ein LFO und zwei ADSR-Hüllkurven für VCA und VCF zur Verfügung. Schön wäre auch eine Delay-Funktion für den LFO gewesen; beim Minilogue konnte man das zumindest mit dem zweiten Envelope realisieren.

Der Multi-Sound Generator ist als dritter Oszillator das innovative Herzstück der Klangerzeugung. Er lässt sich in vier Oktavlagen betreiben und ist mit einem Type- und einem Shape-Regler ausgestattet. Er kann wahlweise als Noise-Generator mit vier verschiedenen Modi (mit unterschiedlichen, auch tonal spielbaren Filter-Einstellungen) agieren oder erzeugt Digital-Sounds auf der Basis einer Art reduzierter FM-Synthese mit einem Carrier und einem Modulator. Es stehen 16 verschiedene Oszillator-Typen bzw. Algorithmen zur Verfügung; die Bandbreite reicht von diversen Sinus-Sounds bis zu kehligen und bratzigen »Throat«- und »Creep«-Oszillator-Typen. Mit dem Shape-Regler lässt sich wahlweise die Modulationstiefe oder (bei gedrückter Shift-Taste) das Träger-Modulator-Frequenzverhältnis einstellen, wodurch mehr Obertöne erzeugt werden. Eine detailliertere Bearbeitung des Oszillators mit sechs Parametern ist im »Program Edit«-Modus möglich. Manche der Oszillator-Typen erinnern klanglich an Yamahas DX-Synths.

Korg Prologue
Der digitale MultiSound-Generator besitzt ein eigenes Display im 7-Segement-Retrolook. (Bild: Dieter Stork)

Individuelle Oszillatoren

Ein echter Knaller ist beim Prologue die Möglichkeit, eigene Oszillatortypen zu erschaffen. 16 Speicherplätze stehen für Eigenkreationen zur Verfügung. Programmieren kann man diese mithilfe von Software (Open Development Application Programming Interface und ein Software Development Kit), welche für das Frühjahr 2018 angekündigt wurde, aber bisher noch nicht am Start ist. Auf jeden Fall ist hier noch viel Soundpotenzial vorhanden.

Seine 8 bzw. 16 Stimmen kann der Prologue flexibel verteilen: Bei halbierter Stimmenanzahl lassen sich die Stimmen layern und dank Bi-Timbralität sogar zwei unterschiedliche Sounds übereinanderlegen und gegeneinander verstimmen. Folgende Voice-Modi werden geboten: Poly, Unisono, Mono und Chord. Der »Voice Mode Depth«-Regler übernimmt dabei je nach Betriebsart verschiedenen Funktionen (Suboszillator hinzufügen, Detuning, Akkord-Typen). Zusätzlich lassen sich die Stimmen im Stereopanorama spreizen.

Ein Arpeggiator ist natürlich auch an Bord. Er ist einfach strukturiert und besitzt sechs Modi. Bedauerlich ist allerdings, dass Korg den wunderbaren polyfonen Sequenzer mit Parameter-Automatisierung des Minilogue nicht übernommen hat.

Ein weiteres ungewöhnliches Feature ist der analoge Kompressor, der jedoch nur im großen, sechzehnstimmigen Prologue seinen Dienst tut. Mit dem gut klingenden Effekt kann man die Sounds gerade live an die Gegebenheiten anpassen und verdichten.

Die beiden Effektblöcke des Prologue (Delay/Reverb mit jeweils acht Typen und Modulations-Effekten wie Chorus, Ensemble, Flanger etc.) machen eine sehr gute Figur und bieten Realtime-Zugriff auf jeweils zwei Parameter. Beim Schrauben etwa des Delay-Time- Parameters kann man herrliche Glitches generieren. Die Effekte klingen hochwertig und sind optimal an den Synth angepasst. Ungewöhnlich: Mit externer Software (s. o.) und Programmierwillen kann man eigene Effekttypen erstellen.

Korg Prologue
Auf der Rückseite findet man neben dem Netzkabel-Anschluss für das eingebaute Netzteil, Stereo-Ausgänge (unsymmetrisch), Kopfhörerbuchse, MIDI-In und -Out, USB-MIDI-Anschluss, Sync-In und -Out sowie Anschlüsse für Expression- und Damper-Pedal. Einen Audioeingang gibt es leider nicht. (Bild: Dieter Stork)

Praxis

Beim Anschalten des Gerätes werden die 16 VCOs erst mal durchgestimmt, was ungefähr 20 Sekunden dauert. Das Schrauben am Prologue macht Spaß, denn alle zentralen Parameter besitzen ein eigenes Bedienelement. Allerdings muss man sich daran gewöhnen, dass die Werte des aufgerufenen Presets immer abgeholt werden müssen (auch bei den Kippschaltern!), um Parametersprünge zu vermeiden. Apropos Presets: Hier können sich andere Hersteller ein Beispiel nehmen. Es gibt 500 Soundspeicherplätze, was großartig ist. Um im Preset-Dschungel durchzublicken, lassen diese sich nach folgenden Kriterien durchsuchen: Program-Kategorie, alphabetisch, vergebene Likes (Facebook lässt grüßen), Häufigkeit der Nutzung, Hüllkurvenform (!) und nach dem Zufallsprinzip. Außerdem kann man vier Live-Sets á acht Sounds registrieren, die mit den acht Funktions-Tastern über dem Keyboard schnell erreichbar sind. Die Soundverwaltung im Synth ist vorbildlich. Will man den Prologue mit externen Controller-Befehlen steuern, muss man übrigens etwas frickeln, da die Controller-Map nicht dem Standard entspricht.

Sound

Der Prologue besitzt einen warmen, organischen Grundsound, mit dem man eine große Palette von Synth-Klängen erzeugen kann, die von druckvollen Bässen und perkussiven Sequenzer-Sounds bis zu breiten, mächtigen Pads und expressiven Leads reicht. Da man zwei Sounds schichten kann, ist die Flexibilität des übrigens sehr stimmstabilen Prologue groß. Mithilfe des digitalen Multi-Sound-Generators sind darüber hinaus noch FM-artige, metallische und geräuschhafte Klänge möglich. Die Kombination von analogen und digitalen Oszillatoren ist hier wirklich reizvoll. Die Hüllkurven agieren erfreulich knackig und eignen sich gut für kickende Percussion- oder Sequenzer-Sounds; allerdings könnte der Attack-Parameter gerne noch langsamere Zeiten zulassen.

Das 12-dB-Filter ist zur Selbstoszillation fähig und klingt gut, wirkt aber manchmal etwas dezent. Ergiebiger wird das Filterschrauben, wenn man die zweistufige Drive-Schaltung (Filterübersteuerung) aktiviert und dabei die Lautstärke der Oszillatoren in der Mixersektion anpasst. Es gibt zwar nur einen echten LFO, aber dank Oszillator-Sync, Ring-, Cross- und Wellenform-(bzw. Shape-)Modulation hat man viele gute Modulationsmöglichkeiten − auch andere gutklingende Synths wie etwa der Roland Juno-106 oder der DSI OB-6 kommen mit nur einem LFO aus.

Abgerundet wird der Klang durch die schöne Effektsektion, die einen guten Job macht. Auch der Kompressor des Prologue 16 kann bei vielen Sounds final für noch mehr Durchsetzungsfähigkeit sorgen.

Die unmittelbare Konkurrenz besteht vor allem aus dem DSI Prophet Rev 2, der einen klassischeren Synth-Sound liefert, dem hybriden und sehr leistungsfähigen Novation Peak, der aber ohne Keyboard auskommen muss und achtstimmig ist, dem Roland JD-XA, der auch gut klingt, aber ein kontrovers diskutiertes Design bietet, und dem günstigen Behringer Deep Mind 12, der eine gute Effektsektion an Bord hat, ohne diese aber klanglich schwächelt. Der Waldorf Quantum arbeitet auch mit einer hybriden Engine, ist aber ein Edelsynth, der sich in weit höheren Preisregionen bewegt. Der Prologue kann sich damit seiner eigenen Klangästhetik gut positionieren.

Korg Prologue
Der kleinere, achtstimmige Prologue muss ohne Kompressor auskommen und ist mit einem vieroktavigen Keyboard ausgestattet; zudem sind einige Parameter nur über das Edit-Menü erreichbar. (Bild: Archiv)

Fazit

Daumen hoch: Der erste »große« Analog-Bolide von Korg seit langer Zeit bringt einen eigenständigen, sehr gut einsetzbaren Sound mit, der keine bekannten Vorfahren imitieren will und sich klanglich auf Augenhöhe mit den Konkurrenten bewegt. Mit dem fehlenden Aftertouch kann ich leben, aber bedauerlich ist das Einsparen des tollen, polyfonen Sequenzers aus dem Minilogue. Auch das OLED-Display könnte größer sein. Dafür wird man mit einem einzigartigen Hybrid-Konzept belohnt, das sogar User-geschaffene Wellenformen und Effekte (!) ermöglicht. Wenn die SDK-Software fertig ist, wird der Prologue noch mehr Trümpfe ausspielen können und kann individuell dem Geschmack des Users anpasst werden. Hier wird die Zukunft bestimmt noch die eine oder andere Überraschung bereithalten.

Unsere Meinung:

+ guter, eigenständiger Sound

+ Multi-Sound Generator, der das Erstellen eigener Oszillatortypen erlaubt

+ bitimbral

+ gute Effektsektion mit Realtime-Eingriff und der Möglichkeit, eigene Effekttypen zu programmieren

+ viele Soundspeicherplätze

− kein Step-Sequenzer

− kleines OLED-Display

− kein Aftertouch

Hersteller: Korg
Internet: www.korg.com

Straßenpreise:
Prologue 16: ca. 2.000,− Euro
Prologue 8: ca. 1.500,− Euro

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Welcher “wertvolle” Platz sei denn eingespart mit der Platzierung der Modulationsräder oberhalb der Tastatur? Einbauen würde ich das Gerät nirgends. Ein Bisschen günstiger dürfte das Gehäuse dadurch sein. Ansonsten?
    Dies und das Fehlen des Aftertouches lassen mich zum Schluss kommen, dass das Gerät wertvoller ohne Tastatur und ohne Modulationsräder wäre; ansteuern könnte ich es von der Tastatur meiner Wahl aus.
    Wobei ich ob des Artikels nicht weiss, ob der Aftertouch nur bei der Tastatur fehlt, oder ob auch die Klangerzeugung nicht auf Aftertouch via MIDI reagiert.
    Freundliche Grüsse
    Axel Hettich

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    1. Nachträglich dennoch danke an Bernhard Lösener für den Bericht!

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    2. Hallo Axel, wenn man für die linksseitige Platzierung der Handräder Tasten eingespart hätte, dann würde ich die Tasten wählen…das ist aber letzlich Geschmackssache; auf der Bühne ist man manchmal ganz froh, wenn der Synth viel Tastatur auf möglichst kleinem Raum bietet.
      Aftertouch wird übrigens weder von der Tastatur erzeugt, noch von der Klangerzeugung empfangen; das ist bei einem Flagship-Synth ein echtes Manko… Beste Grüße Bernhard

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