Reduced to the Max

Desktop-Synthesizer

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Nicht immer ist ein Synthesizer mit Tastatur das passende Tool. Desktopgeräte sind hingegen mehr als nur eine Lösung, die Platz spart, denn viele Elektronikmusiker können Interfaces wie Stepsequenzer, Trigger-Pads oder Guitar-toMIDI-Controller einfach viel mehr abgewinnen als der klassischen Tastatur.

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(Bild: Dieter Stork)

Nicht-Keyboarder sind vielleicht auch einfach weniger abgeschreckt von Instrumenten, die keine Klaviatur besitzen. Aber es gibt viele andere Gründe, die für ein Gerät der Desktopklasse sprechen. Sehr beliebt sind die Teile in Live-DJ-Sets, weil sie − ganz genau! − wenig Platz brauchen und sich hervorragend neben DJ- und/oder DAW-Controller, Mixer, Turntables etc. aufstellen lassen. Gleiches gilt für kleine Recording-Setups, die gerne auch mal im Rucksack transportiert werden wollen. Aber auch für gestandene Keyboarder machen die Winzlinge natürlich absolut Sinn, und auch hier spielen logistische Erwä- gungen eine Rolle. Denn wer schon viele Tastaturen in seinem Live-Setup hat, kann diese mit einem Desktop-Synth sehr effizient aufstocken − z. B. für spezielle Aufgaben wie Bass-Lines oder kleinen Synth-Sequenzen. Ebenso erscheint es wenig sinnvoll, einen kompletten Synth ins Setup zu integrieren, wenn dieser tatsächlich nur für ein paar Solo-Sounds in einem Live-Programm gebraucht wird.

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Dreadbox Murmux

Der griechische Hersteller Dreadbox schießt in Sachen Retro-Styling mit dem handgefertigten Murmux Semi-Modular und seinen Verwandten den Vogel ab: Die Geräte sind nicht nur mit Holzseitenteilen und schönen Vintage-Potis ausgestattet, man kann sie auch in den Winterurlaub mitnehmen, denn das Gehäuse ist in wärmenden Tweed-Stoff gehüllt − ungewöhnlich, sieht aber auf jeden Fall klasse aus. Der Semi-Modular-Synth-Expander beherbergt eine monofone Klangerzeugung mit zwei Oszillatoren (Sägezahn und Rechteck) und einem Sub-Oszillator, geformt wird der Klang durch ein schönes »24 dB State Variable Resonanz«-Filter, das wahlweise auch als Tief- oder Hochpass arbeitet. Die offene, halbmodulare Konzeption kombiniert beides: ein in sich geschlossenes Synthesizer-System mit den Patch-Möglichkeiten eines Modularsystems. Damit lassen sich diverse Modulations-Routings realisieren, und der Integration in bestehende Modularsysteme steht auch nichts im Weg. Ein besonderes Feature ist der 4-Stage-Modulator, der Bewegung ins Spiel bringt. Angesteuert wird das Gerät über MIDI oder CV/Gate.

Klangeigenschaften: Die VCOs haben einen lebendigen, massiven Grundklang, das Filter packt energisch zu und bietet (vor allem im Hochpass-Modus) eine spezielle, interessante Charakteristik. Bühnentauglichkeit: nur für Experimental-Musiker Soundforschungs – potenzial: groß Inspirationsfaktor: groß Parameterzugriff: sehr gut Bedienfreundlichkeit: gut Besonderheit: Retro-Design, 4-Stage-Modulator Preis: ca. 1.000,− Euro Nahe Verwandte: Von Dreadbox gibt es innerhalb der Murmux-Serie auch eine kleine Basis Version (ca. 600,−Euro) und eine bizarre Fußpedal-Version des Gerätes. Empfehlenswert ist der Dreadbox Erebos für ca. 440,− Euro. Wer wird glücklich mit dem Synth? Modular-Freaks, Musiker, die ungewöhnliche Geräte lieben

Doepfer Dark Energy

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Dieses Gespann rockt: Doepfer Dark Energy II plus 16-Step-Sequenzer Dark Time (Bild: Dieter Stork)

Das oben beschriebene Semi-modular-Konzept findet man auch bei Dieter Doepfers Dark Energy, ein kompaktes Kraftpaket mit Patch-Optionen. Bei der analogen, monofonen Klangerzeugung des Desktop-Expanders kommen ein VCO, ein VCF, zwei LFOs und eine ADSR-Hüllkurve zum Einsatz. Dank zusätzlicher Eingänge (etwa zur Steuerung von VCO, Cutoff, VCA und Pulsweite) und Ausgänge (LFO 1 und Hüllkurvenspannung) kann man das Klangspektrum durch Patch-Verbindungen erheblich erweitern. Im Dark Energy II wurde statt des 24-dB-Filters eines mit 12 dB verbaut. Das neue Filter bietet wesentlich mehr Möglichkeiten, denn es kann sowohl als Tief-, Hoch-, Bandpass und Kerb-Filter arbeiten, wobei sich die Charakteristik stufenlos überblenden lässt. Die Filtereckfrequenz kann jetzt durch LFO 2 auch negativ moduliert werden.

Klangeigenschaften: knackige, offene, warme Synth-Sounds, dank Multimode-Filter breites Klangspektrum Bühnentauglichkeit: begrenzt Soundforschungspotenzial: groß Inspirationsfaktor: groß Parameterzugriff: optimal Bedienfreundlichkeit: sehr gut Besonderheit: Multimode-Filter Preis: ca. 390,− Euro Nahe Verwandte: Der Dark Energy beruht auf dem Doepfer A-100-Modularsystem, für das mittlerweile mehr als 100 verschiedene Module angeboten werden. Wer wird glücklich mit dem Synth? Analog-Fans, Synth-Freaks, Elektronik-Produzenten

Waldorf Pulse 2

Der Pulse 2 präsentiert sich in edlem Pultgehäuse, das man schon vom Blofeld kennt, und manche Synthfreaks bezeichnen ihn als Geheimtipp. Der Vorteil gegenüber dem Pulse (1) liegt vor allem im grafikfähigen Display und im Multimode-Filter. Toll sind auch der flexible Arpeggiator und die umfangreiche Modula – tions-Matrix. Als spezielles Feature verfügt er neben der monofonen Klangerzeugung mit drei Oszillatoren auch noch über die Möglichkeit, bis zu acht Stimmen parafon zu spielen. Leider bietet das kompakte Gerät nur Zugriff auf sechs Parameter gleichzeitig. Der Pulse 2 ist eine guter Bass- und Lead-Lieferant; dank der schnellen Hüllkurven ist er auch für perkussive Klänge gut geeignet. Mit der gut einsetzbaren Drive-Sektion lassen sich auch schmutzigere Sounds realisieren. Als Bonus ist noch eine CV/Gate-Schnittstelle an Bord.

Klangeigenschaften: Sehr schöner, präsenter Klang, der manchmal etwas aufgeräumt und sauber wirkt, aber durch das gute Filter sehr energisch geformt wird. Bühnentauglichkeit: ja, aber nicht für exzessive Schrauborgien auf der Bühne geeignet Soundforschungspotenzial: ja Inspirationsfaktor: gut, erfordert aber eine etwas längere Einarbeitungsphase Parameterzugriff: auf sechs Parameter gleichzeitig beschränkt Bedienfreundlichkeit: Die Matrix mit den verschiedenen Regler-Sets ist etwas gewöhnungsbedürftig. Besonderheiten: achtfach parafon spielbar Preis: ca. 500,− Euro Wer wird glücklich mit dem Synth? Produzenten elektronischer Musik, Synth-Freaks, Studio-Frickler, die nicht viel Platz haben

Waldorf Streichfett

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Einfach cool: Retro-Buttons beim Waldorf Streichfett (Bild: Dieter Stork)

Nomen est omen: Waldorfs Streichfett bringt die Butter auf das Retro-Brot. Der Desktop-Synth erzeugt die Sounds der Stringmachines (etwa Solina String) und Multikeyboards (z. B. Crumar Multiman) der 70er- und frühen 80er-Jahre. Obwohl er (wie der Waldorf Rocket) in einem sehr kompakten, quadratischen Kunststoffgehäuse beheimatet ist, bietet er viele Funktionen auf kleinstem Raum. Die DSP-gestützte Klangerzeugung ist aufgeteilt in eine String-Sektion (128-fach polyfon) mit verschiedenen Sounds und eine achtfach polyfone Solo-Abteilung mit den typischen Piano-, Spinett- und Synth-Klängen der Multikeyboards dieser Ära. Beide Sektionen lassen sich auf verschiedenen MIDI-Kanälen ansprechen; innovativ ist die Möglichkeit, stufenlos zwischen den Sounds zu morphen. Die MIDI-Implementation des Gerätes ist perfekt; alle Reglerbewegungen werden als Controller-Daten ausgegeben und empfangen. Abgerundet wird das Ganze durch eine thematisch gelungene Effektsektion, mit der die klassischen Ensemble-, Chorus- und Phaser-Effekte dieser Ära emuliert werden. Der preisgünstige Spezialist für Stringmachines ist momentan auf diesem Gebiet konkurrenzlos und schlägt alle bekannten VST-Instrumente, die sich mit diesem Thema befassen, klanglich um Längen.

Klangeigenschaften: Die Sounds klassischer Stringmachines werden sehr gut nachempfunden. Bühnentauglichkeit: gut, 12 Speicherplätze Soundforschungspotenzial: gering, da Spezialist für Stringmachines Inspirationsfaktor: groß. Der Synth ist eine Zeitmaschine, die einen sofort in die Ära der frühen Jean-Michel-Jarre- und Tangerine-DreamAlben versetzt. Parameterzugriff: sehr gut Bedienungsfreundlichkeit: gut Besonderheit: Morphing-Funktion Preis: ca. 240,− Euro Wer wird glücklich mit dem Synth? Retro-Fans, Minimal-Wave-Produzenten, Krautrock-Bands

Vermona Mono Lancet

Vermona Lencet, Draufsicht auf Soundmaschine

Kultiger Retro-Charme wird ja immer wieder gerne zur Imagebildung bemüht. Bei Vermonas Neulingen funktioniert das in der Tat richtig gut. Der Mono Lancet verfügt über zwei VCOs, ein 24-dB-Tiefpassfilter, abschaltbaren VCA, eine Hüllkurve sowie ein LFO mit drei Wellenformen (auch Sample&Hold). Die bodenständige Ausstattung sorgt für einen äußerst soliden Grundsound: Die VCOs liefern bei optimaler Stimmstabilität in allen Lagen ein sehr breit und brillant klingendes Basissignal. Das Filter packt kraftvoll zu und besitzt ein präzises Tracking. Der Resonanz-Einsatz lässt sich sehr feinfühlig regeln, bei höheren Werten entwickelt sich trotz 4-Pol-Charakteristik eine sehr angenehme, leicht näselnde Komponente, die vor allem Dancefloor-affine Musiker erfreuen dürfte. Wirklich erfreulich ist zudem die überaus hohe Fertigungsqualität bei nachvollziehbarem Preisniveau.

Klangeigenschaften: klare kräftige Synth-Sounds Bühnentauglichkeit: gut, allerdings keine Speicher Soundforschungspotenzial: gut Inspirationsfaktor: viel Vintage-Charme Parameterzugriff: optimal Bedienfreundlichkeit: gut Preis: ca. 480,− Euro Nahe Verwandte: Kick Lancet ist bei sehr ähnlicher Optik ein Synthesizer, dessen Klangerzeugung auf elektronische Bassdrum-Sounds spezialisiert ist. Wer wird glücklich mit dem Synth? Elektronikmusiker, Synthfreaks, DJ-Producer

Dave Smith Instruments Evolver

Mit dem Evolver feierte der Synth-Guru Dave Smith (siehe Seite 56) sein Comeback als Synthesizer-Hersteller. Evolver ist ein Hybrid aus digitaler und analoger Technik und im Detail betrachtet ein Synthesizerdesign, das seinesgleichen sucht. Denn unter der spröden Optik verbirgt sich ein monofoner Synth mit unglaublich vielseitigen Modulationsmöglichkeiten. Zwei digitale Oszillatoren liefern jede Menge Wavetable-Sounds, während über AD-Wandler je zwei analoge OSCs und Filter in die digitale Architektur eingebettet sind. Nahezu jeder Parameter lässt sich über die parallelen 16-Step-Sequenzer, LFOs und Hüllkurven modulieren. Das ist schon so umfangreich, dass man bei dem Mini-Display schnell den Überblick verlieren kann. Dennoch ist der kleine Synth eine Empfehlung an alle Soundforscher, die z. B. auch externes Audiomaterial über die stimmbaren und modulations – fähigen Feedback-Schleifen bearbeiten möchten, über die der Evolver auch Soundexperiemente mit Physical-Modeling-Ansätzen erlaubt.

Klangeigenschaften: eigenständiger, unglaublich vielseitiger Sound, super auch für kranke Step-Sequenzer-Beats Bühnentauglichkeit: gut, aber wenig Möglichkeiten zum Soundschrauben Soundforschungs – potenzial: größer, als man glaubt Inspirationsfaktor: sehr hoch Parameterzugriff: Parametermatrix plus kleines Display = fummelig Bedienfreundlichkeit: okay Besonderheiten: Zum Editieren der Sounds empfiehlt sich der Software-Editor. Preis: ca. 680,− Euro Nahe Verwandte: Der Evolver wird auch mit Tastatur als monofone Version sowie als vierstimmiger Poly Evolver angeboten. Wer wird glücklich mit dem Synth? Produzenten elektronischer Musik, Studio-Frickler, die nicht viel Platz haben

Dave Smith Instruments Tetra4

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Dank Vierfach-Sequenzer extrem gut für verrückte Elektro-Loops: DSI Tetra4 (Bild: Dieter Stork)

Wer den neuen Prophet-Sound preisgünstiger will, kann auch mit dem monofonen Mopho (ca. 350,− Euro) oder dem sehr leistungsfähigen, vierstimmigen Tetra4 vorliebnehmen. Beide sind als Expander oder Tastaturversion erhältlich. Sie bieten zusätzlich pro Stimme zwei Sub-Oszillatoren und sind dank aufwendigem Sequenzer und seiner Modulations-Features auch gute Lieferanten für ungewöhnliche Loops; die tastaturlosen Versionen bieten allerdings nur Zugriff auf acht Parameter.

Klangeigenschaften: klassische Synth-Sounds, nicht gerade üppig warm, dafür aber ziemlich frech und durchsetzungsfähig Bühnentauglichkeit: gut Soundforschungspotenzial: groß Inspirationsfaktor: hoch; vor allem die Synth-Grooves begeistern. Parameterzugriff: begrenzt Bedienfreundlichkeit: einfach zu handhaben Preis: ca. 950,− Euro Wer wird glücklich mit dem Synth? Produzenten elektronischer Musik, DJ-Producer

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