Paralelluniversum

Buchla U.S.A. Easel Command – Desktop Modular analogue Synthesiser im Test

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Seit Don Buchla seine ersten Instrumente in den Sechzigern schuf, umgibt diese ein gehöriger Hauch Exotik. Durchaus nachvollziehbar, denn seine Instrumente und Controller sind rar und wenig massenkompatibel, haben aber dennoch in unterschiedlichsten Genres ihre Einsätze und Liebhaber. Mit dem vorliegenden Easel Command will Buchla U.S.A. das Erbe des Music Easel von 1972 gleichermaßen respektvoll fortführen und modernisieren.

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Donald Buchla (18.4.1937 – 14.09.2016) gilt als Vorreiter der Synthesizers. Er hob Buchla & Associates 1962 aus der Taufe und entwickelte in den Folgejahren mit Ramon Sender und Morton Subotnick, den Begründern des San Francisco Tape Music Centers, die modulare Serie 100 (ab 1966), die Serie 200 (ab 1970) sowie deren Nachfolger 300, 400, 500 und 700. Der Music Easel war Buchlas Kompaktsynthesizer. Nachdem Buchla sich in den Neunzigern auf alternative MIDI-Controller fokussierte, überarbeitete er später die Serie 200 mit einer digitalen Steuerung (200e). 2012 wurde die Firma unter der Leitung von Buchla durch einen australischen Investor übernommen und in Buchla Electronic Musical Instruments umbenannt. 2018, zwei Jahre nach Buchlas Ableben, ging die Firma in die Hände von Buchla U.S.A. Seither ist man darum bemüht, die Firma im Sinne des Namengebers zu führen. Verantwortlich für den Easel Command ist dabei Joel Davel, der seit den Neunzigern eng mit Don Buchla zusammenarbeitete.

MIDI, USB und CV/Gate nach Eurorack-Standard finden sich auf der Rückseite. (Bild: ALEX4 Distribution GmbH, distributing electronic musical instruments, Amtsgericht Charlottenburg HRB138303B, Phone +49306165100-)

Westcoast/Eastcoast

Buchlas erste Entwicklungen entstanden quasi zeitgleich zu den Arbeiten von Bob Moog. Abseits der analogen Basis gibt es jedoch bei der Klangsynthese kaum Parallelen – u. a. weil sich die Entwickler anfänglich schlicht nicht kannten. So schuf Moog in New York und North Carolina die subtraktive Synthese an der amerikanischen Ostküste, während Buchla im kalifornischen Berkeley auf Waveshaping und FM-Obertonspektren sowie ein Low-Pass-Gate setzte – ein eigenes Konzept mit eigenen Standards, Schnittstellen und Nomenklatur.

Moog macht mit dem eher geradlinigen Minimoog bekanntermaßen das Rennen und etablierte so die subtraktive Synthese, der nachfolgend auch Alan R. Pearlman (ARP), Tom Oberheim, Dave Smith (Sequential Circuits) und die japanischen Hersteller folgten, während Buchlas Werke einer Gruppe von Kennern vorbehalten blieb.

60 Jahre später, in der Renaissance der analogen Synthesizer, spielt das Eurorack-Format eine wichtige Rolle und ermöglicht erstmals eine übergreifende Kombination unterschiedlichster Komponenten in einem Modularsystem. Kaum verwunderlich, dass längst auch die Ideen von Buchla aufgegriffen wurden. Vom allgemeinen Boom und dem speziellen Interesse an der West-Coast-Synthese profitierten dann aber auch die Instrumente von Buchla USA, obwohl diese eben nicht dem Eurorack-Standard folgen.

Die vier Modulationsquellen des Easel Command: Step-Sequencer, CV-Zufallsgenerator, ASD-Hüllkurve und der sogenannte Pulser (Bild: ALEX4 Distribution GmbH, distributing electronic musical instruments, Amtsgericht Charlottenburg HRB138303B, Phone +49306165100-)

Was ist das? Ganz ohne Erfahrung mit Buchla-Geräten stehe ich einem eleganten, in sich geschlossenen Modularsystem im Kompaktgehäuse mit aufstellbaren Holzseitenteilen und externem Netzteil gegenüber. Die Oberseite zeigt das komplette (und auch einzeln verfügbare) 208C-Modul mit zahlreichen Schiebereglern, Schaltern und Anschlüssen, einer großen (ungenutzten) Erweiterungsschnittstelle, etlichen Bananen- und wenigen 3,5-mm-Patchbuchsen sowie einem Kopfhörerausgang. Rückwärtig finden sich Stereoausgänge, MIDI-Eingang, CV/Gate-Eingänge, USB, Pedalbuchse sowie zwei Erweiterungseinschübe, unter anderem für USB-MIDI.

Klangbasis des monofonen Instruments ist der zentrale Doppeloszillator mit eigenem Waveshaping. Dabei ist explizit vorgesehen, dass der sogenannte Modulationsoszillator den Complex Oszillator per AM oder FM modulieren kann, um zusätzliche Obertöne zu gewinnen. Hierzu ist jeweils eine dreifache Wellenformauswahl vorhanden, die im Complex Oszillator sogar überblendet werden kann. Hinzu kommt ein Audioeingang, der bei Nichtbelegung weißes Rauschen liefert.

Weiter geformt wird der Klang durch zwei Low-Pass-Gates, die jeweils umschaltbar die Funktionen VCA und/oder resonanzloses Tiefpassfilter in sich vereinen. Bemerkenswert dabei ist, dass die Filter nicht manuell, sondern nur per Steuerspannung im Tandem mit den VCAs geregelt werden können. Eine weitere Besonderheit ist der Einsatz von Vaktrolen, die genauso zum eigenständigen Klangbild beitragen wie der regelbare Federhall.

Für die Modulationen gibt es geräteintern vier Sektionen. Zunächst einen Step-Sequencer mit bis zu fünf Schritten, einen CV-Zufallsgenerator, eine dreistufige (ASD) Hüllkurve mit einzelnen CV-Eingängen und Modi, um die Hüllkurve als One-Shot oder mit variabler Sustain-Dauer über eine Klaviatur zu spielen. Die Hüllkurve kann sich zudem bei Bedarf selbst neu triggern (Loop). Schließlich gibt es einen sogenannten Pulser, der eine Mischung aus LFO, Clock und Trigger-Generator darstellt.

Das Instrument ist mit ausgewählten Patchpunkten versehen, die über stackbare Bananenkabel oder Steckbrücken konfiguriert werden. Reine Audioverbindungen erfolgen hingegen über 3,5-mm-Kabel. Bedienelemente und Patchbuchsen sind farbcodiert, aber nicht durchgängig vorverdrahtet. Die Farbgebung ist durchdacht und bei der Arbeit erleichternd: Die Oszillatoren sind grün und rot, die Low-Pass-Gates schwarz. Schwarze Buchsen sind Modulationseingänge, die Ausgänge blau (Sequenzer), rot (Hüllkurve), gelb (Pulser), weiß (Random) oder violett für die Modulation über den Parameter Pressure, der eingangsseitig neben Pitch und Pulse für einen Controller bereitsteht. Auch lässt sich die Anschlagsdynamik über MIDI an einer solchen Buchse abgreifen – hier hilft ein integrierter Inverter. Nicht umsonst bezeichnet Buchla das Gerät als »Staffelei« (Easel).

Rechts neben den Oszillatoren schließen sich das Dual-Low-Pass-Gate sowie der Federhall an. (Bild: ALEX4 Distribution GmbH, distributing electronic musical instruments, Amtsgericht Charlottenburg HRB138303B, Phone +49306165100-)

Praxis

Buchla verstand seine Konstruktionen als Kunstwerke mit klarer Zielsetzung. Es ging ihm um das inspirierte Schaffen neuer Klänge bei gleichzeitiger Performance-Tauglichkeit – reale Instrumente wollte er erst gar nicht nachahmen. Die damaligen Entscheidungen bei der Steuerung der Sektionen finden sich bis heute wieder, auch wenn diese teils nicht den heutigen Gewohnheiten entsprechen.

Darüber hinaus gab es bei Buchla eine bewusste Abkehr von der konventionellen Klaviatur, die er als einschränkend und als zu dominant in ihrem Einfluss auf das Ergebnis empfand. Nicht umsonst konzipierte er das berührungsempfindliche Touch-Keyboard mit der Möglichkeit, zwischen Noten zu gleiten, internem Arpeggiator und andere Controller. Hier zeigt sich der wichtigste Unterschied zum Music Easel: Das Testgerät verzichtet auf den integrierten Controller, kommt aber mit MIDI-Eingang, möglicher USB-MIDI-Kompatibilität und Eurorack-konformen CV/Gate-Eingängen. Man entscheidet also selbst über den gewünschten Controller – von Klaviatur über das 218 Touch Keyboard bis hin zum MPE-fähigen Sensel Morph. Keinesfalls selbstverständlich: Über MIDI lassen sich die Parameter Timbre und Modulation des Geräts adressieren und die einzelnen Trigger durch spezifische Noten.

Konzept, Modularität und die genannten Gründe sollten erklären, warum der Easel Command trotz guter Haptik und Übersichtlichkeit eine Phase der Einarbeitung voraussetzt, bei der die Tutorials auf der Hersteller-Webseite hilfreich sind. Basisklänge gelingen vergleichsweise schnell, aber das Eintauchen in die ungewöhnlichen Möglichkeiten braucht Erfahrung. Aber gilt das nicht für alle komplexen elektronischen Instrumente? Das Buchla-Instrument ist eigenständig und sollte auch genau dafür wertgeschätzt werden. Standards. Historisch bedingt waren Buchla-Produkte nie ohne Weiteres kompatibel zu sonstigen »Standards«. Das gilt auch im Easel Command für die internen CV-Skalierungen und Trigger. Immerhin ermöglichen die genannten Schnittstellen eine kalibrierbare Anbindung zur Tonhöhensteuerung durch die Außenwelt. Eine sonstige Anbindung an die etablierten Trigger- und CV-Spannungen ist abseits des anderen Buchsentyps hingegen nicht vorgesehen und somit eine Einschränkung für alle, die den Easel Command gern im Eurorack-Verbund sehen würden. Möglichkeiten zur Konvertierung bietet Buchla mit dem Utility-Modul 202h an. Umgekehrt findet man mit Synovatron eine Konverter-Lösung im Eurorack-Format. Schließlich sollte erwähnt werden, dass die Definition einer Gesamtstimmung, etwa für das Zusammenspiel mit anderen Instrumenten, aufgrund fehlender interner Quantisierung nicht trivial und zudem leicht versehentlich durch Modulationen wieder zu kippen ist.

Die Buchla-Klangästhetik ist individuell. Im Unterschied zum sonst omnipräsenten Filter prägen hier die spezifischen Module die Sounds. Namentlich sind das die interagierenden Oszillatoren mit ihren Waveshapern, die Vaktrole der Low-Pass-Gates, der Federhall sowie die Modulatoren Sequenzer, Hüllkurve und Pulser, die zu charismatischen Ergebnissen führen.

Der Easel Command hat eine spezifische warme analoge Qualität, die auch kräftige Modulationen im Audiobereich nie harsch klingen lässt. Die Zielsetzung der Klangforschung ist klar erkennbar ebenso wie der Performance-Aspekt. Der »Sprachschatz« ist durchaus umfassend, aber speziell und nicht erschlagend.

Der Doppeloszillator, bestehend aus Modulation- und Complex-Oszillator, ist das Herzstück der Klangerzeugung des Easel Command. (Bild: ALEX4 Distribution GmbH, distributing electronic musical instruments, Amtsgericht Charlottenburg HRB138303B, Phone +49306165100-)

Die Menge der Regler, Schalter und Patchbuchsen ist sorgsam ausgewählt – ein Kabelverhau selten nötig. Wenige Patches, fast immer zum Routing von Steuerspannungen, reichen für den Start und die folgende Echtzeitmanipulation – der Weg ist das Ziel.

Der Fokus liegt auf Sequenzen, eigenartigen Modulationen, Effekten und Zufallssounds – von 70s-SciFi bis hin zu Telespiel-Sounds und einigen Bässen. Nutzt man den Easel Command ohne Controller, erschöpft sich das Potenzial der kurzen Sequenzen relativ schnell, mit Controller sind melodisch spielbare Klänge durchaus möglich, jedoch mit eher einfacher Struktur. Dem Ungewöhnlichen bleibt stets ein Platz reserviert, etwa bei der variablen Verknüpfung von Sequenzer, Pulser, Controller mit Tonhöhen und Hüllkurven. Dabei gleitet der Easel Command mit zunehmenden Modulationen im Audiobereich in die Geräuschhaftigkeit. Hier verbinden sich die klangforscherischen Qualitäten eines Modularsystems mit den Vorzügen eines Kompaktsynthesizers zu einer lebendigen Melange.

Zu den Stärken des Synthesizers gehören perkussive, aber nicht knackige Sounds – mal hölzern, mal gläsern oder atonal, die sich durch den dick auftragenden Hall mit Raum versehen lassen. Interessant sind auch die schnellen Klangmodulationen durch die loopende Hüllkurve. Prägend ist stets das Oszillatorduo mit seinen komplexen aber beherrschbaren Obertonspektren, die sich auf zwei Strängen herausführen lassen. Die analoge Frequenzmodulation ist simpel, aber in Kombination mit der Wellenformauswahl und den Waveshapern überzeugend. Was an Schärfe entsteht, wird durch den Klang der trägen Low-Pass-Gates mit einem gefälligen und runden Charakter versehen.

Hinzu kommt, dass man über den Audioeingang externe Audiosignale über die Klangformung bearbeiten, von dort eine Steuerspannung extrahieren und das Signal als FM-Quelle für den Modulationsoszillator nutzen kann. Der Buchla-Charakter ist für mich deutlich vorhanden. Gleichwohl bin ich mir aber auch sicher, dass der Easel Command nicht identisch zu den 50 Jahre alten Originalen klingt …

Fazit

Der Buchla U.S.A. Easel Command ist ein analoger Spezialist mit eigenem Klangcharakter und Bedienkonzept. Er versteht sich abseits des fehlenden Controllers als vollständiger Performance-Synthesizer und autarkes Modularsystem. Ein Gesamtkonzept, auf dessen Möglichkeiten man sich einlässt, die man erforscht und in ihrer Nutzbarkeit erschließt. Der Weg führt also in die Tiefe … Und hier liegt auch die Abgrenzung von einer Sammlung Buchla-inspirierter Module für das Eurorack. Letztlich ist der Easel Command ein analoger Synthesizer mit eigenständigem Klang, modularen Patch-Möglichkeiten und attraktivem Kompaktformat. Nicht günstig, aber zweifellos faszinierend.


Hersteller/Vertrieb:
Buchla U.S.A. / SchneidersLaden GmbH

UvP/Straßenpreise:
3.280,– Euro

Internet
buchla.com
www.schneidersladen.de

Unsere Meinung:
+++ kompakt, vollständig, inspirierend
++ Klassiker der Synthesizerhistorie
++ eigenständiger, überzeugender Analogsound
– abweichende Standards

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