Modularsystem unter 1.000 Euro

Buchla-Style zum Budget-Preis

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Erschwingliche Alternativen für außergewöhnliche Klanggestaltungskonzepte

(Bild: Matthias Fuchs)

So richtig spannend wird ein Modularsystem, wenn man ausgetretene Pfade verlässt und sich jenseits des StandardSignalweges aus VCO, VCF und VCA bewegt. Dieses Vorhaben lässt sich mit weitaus weniger Aufwand realisieren, als man vermuten möchte. Die Auswahl an Eurorack-Modulen ist auch für dieses Vorhaben schlichtweg ausufernd. Hier ein paar Tipps und Ideen, wie du für wenig Geld dem legendären Buchla-Sound nachspüren kannst.

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Üblicherweise besitzt ein Analogsynthesizer eine subtraktive Klangerzeugung, die aus einer obertonreichen Standardwellenform mittels CV-gesteuertem Filter und Verstärker einen Sound formt. Dieses von Bob Moog eingeführte System hat sich als die Synthesizer-Architektur schlechthin etabliert und wenig Platz für Alternativen gelassen. Dass es durchaus möglich ist, einer analogen Klangerzeugung auch auf etwas anderem Wege Sounds zu entlocken, zeigt die sogenannte „Westcoast“-Szene und deren Protagonisten Don Buchla und Serge Tcherepnin (im Gegensatz zur der, an der „Eastcoast“ der USA tätigen Firma Moog).

Während beim Moog’schen Konzept die Oszillatoren klangliches Rohmaterial liefern und das Filter im Mittelpunkt der Klangformung steht, werden bei Don Buchla schon auf Oszillator-Ebene komplexe und dynamische Sounds erzeugt – das Filter spielt nur eine untergeordnete Rolle oder fehlt sogar völlig. Buchlas Ausgangspunkte sind vielfach nichts weiter als mehrere Sinuswellen, aus denen mittels Frequenz-, Amplituden- oder Ringmodulation sowie unterschiedlicher Waveshaping-Varianten komplexe und damit obertonreiche Wellenformen erzeugt werden. Die klanglichen Resultate können sich durchaus von denen eines „Standard“-Analogsynthesizers unterscheiden. Leider führen Instrumente, die diese Architektur konsequent nutzen, wie eben die Instrumente von Don Buchla oder Serge, ein Exotendasein.

Die klangliche Vielfalt und Qualität dieser Systeme wird immer wieder hoch gelobt. Leider sind sie für die meisten Synthesizer-Fans unerschwinglich. Dank des großen Angebots an Eurorack-Modulen ist es jedoch mittlerweile ein Leichtes, die wesentlichen Bestandteile einer Buchla-ähnlichen Klangerzeugung mit vergleichsweise geringem finanziellen Aufwand zu realisieren.

Unser hier vorgestelltes Beispiel-System basiert im Wesentlichen auf der legendären Buchla-Box, nutzt jedoch günstige Doepfer-Module und lässt sich deshalb zu einem Preis von deutlich unter 1.500 Euro realisieren. Somit stellt dieses System nicht zuletzt auch für Modular-Einsteiger eine interessante Option dar, denn Arbeitsweise und Resultate unterscheiden sich vom Standard-Synthesizer – hier gibt es wirklich Neuland zu entdecken. Wir wollen uns ein solches System genauer anschauen …


Beim Erzeugen von experimentelleren Sounds und Effekten bietet die hier vorgestellte Modulkombination trotz ihrer Überschaubarkeit vergleichsweise immense Möglichkeiten. Selbstverständlich bieten auch zahlreiche andere Hersteller geeignete Module an — wir haben unser Beispiel bewusst auf die preiswerteste Variante Doepfer beschränkt. Der Fachhandel sollte hier weiterführend beraten können.


Vorbei am Standard 

Auf den ersten Blick wirkt die Bestückung unseres Modularsystems im Buchla-Style recht exotisch: kein Filter, kein VCA, keine Hüllkurven – zumindest nicht direkt als solche erkennbar. Dafür gibt es einige Module mit recht kryptischen Funktionsbezeichnungen. Eines der Geheimnisse des Systems haben wir schon in der letzten SynthLab-Folge kennengelernt: Um bei minimalem Platzbedarf eine hohe Flexibilität zu erzielen, bieten einige Module eine recht universelle Funktionalität, die sich nicht sofort vollständig erschließt. Zudem sind Audiosignal- und Modulationswege weniger klar voneinander getrennt als bei den meisten konventionellen Synthesizer-Architekturen. Doch der Reihe nach …

Oszillatoren: Wie schon eingangs erwähnt, soll schon die Oszillator-Ebene komplexe und dynamische Klänge liefern. Auch die sich dazu anbietenden Modulationsformen wurden schon genannt. Als Grundlage benötigen wir mehrere Sinuswellen. Theoretisch eignen sich natürlich auch obertonreiche Schwingungen, jedoch generieren sie bei komplexen Modulationen zu schnell beliebig klingenden „Krach“.

Doepfers High-End-VCO A-111 liefert einen sauberen und stimmstabilen Sinus, zudem ermöglicht er lineare FM. Aus Platz- und Kostengründen ergänzen wir den VCO mit Doepfers Vierfach-LFO A-143-9. Er generiert vier Sinuswellen in verschiedenen Phasenlagen und arbeitet auch im Audiobereich. Mittels FM und Kreuzmodulation lassen sich diesen beiden Modulen schon recht komplexe Klänge entlocken. Das Klangbeispiel startet mit einer Frequenzmodulation zwischen A-111 und A-143-9 (im Audiobereich). Die Modulationsgeschwindigkeit steuert ein weiteres Modul mit LFO-Funktion (s. u.).

Modulatoren: Um das Klangspektrum zu erweitern, nutzen wir den A-133 Dual Voltage Polarizer. Dabei handelt es sich um nichts anderes als zwei VCAs, die sich bei Bedarf als Ringmodulatoren und/oder Verzerrer missbrauchen lassen. Mit zwei Audiosignalen (Sinus) beschickt, können sie interessante Sounds (bzw. Obertöne) generieren. Im Klangbeispiel ist ab 00:11 eine Ringmodulation mit Sinuswellen aus dem Quad-LFO zu hören. Ab 00:27 wird der Quad-LFO seinerseits mit einem weiteren LFOs moduliert – das Resultat klingt recht fett.

Wave Shaper: Als eine Art Gegenstück zum Filter arbeitet der A-137-1 Wave Multiplier. Das Modul streckt, staucht, plättet und faltet Wellenformen, um sie sehr effizient mit Obertönen anzureichern. Auch hier lassen sich musikalisch nutzbare Sounds am besten auf Basis von Sinuswellen erzielen. Im Sounddemo wird ab 00:34 eine Sinuswelle des Quad LFOs mit dem Wave Mulitiplier „per Hand“ bearbeitet und ab 00:52 mit Audiosignalen moduliert.

Filter und VCA: Damit unser System nicht vollends aus der Art schlägt, spendieren wir ihm doch noch Filter und VCA, allerdings in einer etwas exotischen Bauform. Das ebenfalls vom Buchla-System inspirierte A-101-2 Lowpass Gate verändert wahlweise Frequenz und/oder Amplitude des Eingangssignals. Auch Zerr-Effekte sind damit möglich. Im Sounddemo werden ab 01:03 Cutoff und Pegel gleichzeitig von einem LFO moduliert.

Modulationsquellen: Selbstverständlich lassen sich die meisten Parameter dieser Module nicht nur durch Audiosignale modulieren, sondern auch spannungssteuern. Neben den schon angesprochenen Oszillatoren, die sich als LFOs zweckentfremden lassen, kommt nun das wohl ungewöhnlichste Modul dieses Systems ins Spiel – der A-171-2 VC Slew Processor/Generator.


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Dieses nicht einmal sonderlich teure Modul basiert auf einem Schaltungskonzept von Serge und ist ein echter Verwandlungskünstler: Abhängig von seiner Beschaltung und Parametereinstellung arbeitet es als steuerbare AD-Hüllkurve mit exponentieller oder linearer Charakteristik, erzeugt einen Tiefpassfilter-ähnlichen Effekt, taugt als LFO oder Audiooszillator mit „biegsamer“ Dreiecks-Wellenform („Cycle“) oder als Generator von Rechteck-Impulsen („End“). Es eignet sich somit entweder als Filter, zusätzliche Audiosignalquelle mit einem sehr rohen Sound oder als Modulationsquelle.

Damit nicht genug, das A-171-2 erzeugt oder teilt sogar Clock-Signale. Somit dient er als „Motor“ für ein weiteres, sehr interessantes Modul: das A-149-1 RCV.

Tonfolgen: Das Doepfer A-149-1 Quantized/ Stored Random Voltages ist eine sehr berühmte Buchla-Adaption und Modulationsquelle der besonderen Art: Es ist ein digitaler Steuerspannungsgenerator, der die von ihm erzeugten CVs mit einer wiederum steuerbaren Zufälligkeit versieht. Das Ergebnis ist also nicht beliebig, sondern enthält eine modulierbare Gewichtung. Die Resultate, die das Modul liefert, ähneln wesentlich mehr denen eines „echten“ Sequenzers als einem S&Hoder Zufallsgenerator. Das A-191-1 bringt unser System zum „Spielen“ und sorgt, zusammen mit weiteren Modulationsquellen, für recht komplexe und musikalisch interessante Abläufe. Da sich die vom A-171-2 gelieferte Clock bis in den Audiobereich drehen lässt, ermöglicht das Random Voltages Modul auch seine Zweckentfremdung als (Wavetable)- Oszillator.

Im Audiodemo sind nun Zusammenschaltungen der gerade aufgeführten Module hörbar. Ab 01:16 arbeitet das A-101 Lowpass Gate erneut als Filter. Signalquelle ist das gerade beschriebene A-149. Es liefert eine Pulswelle (Ausgang „End“). Filter und Tonhöhe werden quasi-zufällig vom A-149 gesteuert. Die benötigte Clock liefert ebenfalls das A-171. Ab 01:35 ist das identische Patch zu hören, nur die Einstellungen des A-149 sind verändert. Außerdem wird die Clock das A-171 bis in den Audiobereich gedreht.

Ab 01:54 ist nur der Wave Multiplier A-137 zu hören. Auch er wird mittels A-149 quasizufällig gesteuert. Ab 02:05 wird der Wave Multiplier von zwei synchronisierten A-171 im LFO-Modus moduliert. Als Ausgangswellenformen sind ausschließlich Sinuswellen des Quad-LFOs in Gebrauch.

 

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Wuerde gerne mal die soundbeispiele hören, wo sind die zu finden? Das war mein Einstieg in eurorack, hab fast alles aus dem Artikel dann so umgesetzt 🙂

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