Night At The Museum

Yamaha Synthesizer aus der Historie

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Yamaha History
(Bild: Marc Bohn)

Vom 03. bis 05. Mai 2018 fand im Berliner FEZ das Modular-Synthesizer-FestivalParty-Messe-Event Superbooth statt. Neben den oszillierenden und wabernden Ping-Boing-Tzz-Rausch-Modulen aus Eurorack-, 5U- oder sonstigen Systemen gab es vor Ort auch renommierte Tasten-Synths zu sehen. Etwas Besonderes hat sich der Hersteller Yamaha einfallen lassen, der in einem abgetrennten Bereich des Ausstellungsraums ein Museum eingerichtet hat, wo man teure Schätzchen wie CS-80, DX1 und VP1 nicht nur sehen, sondern sogar anspielen konnte.

Umgeben von leuchtenden Neonröhren in verschiedensten Farben und Röhrenmonitoren, auf denen alte Werbespots und Produktvorführungen zu sehen sind, fühle ich mich wie auf einer Zeitreise in die 80er. »Museumswärter« Ulf Kaiser öffnet mir das rote Abgrenzungsseil zur Museumsecke und führt mich durch die Historie der Yamaha-Synths. »Natürlich haben wir nicht alles hier. Aber das, was wir retten konnten, haben wir hier aufgestellt«, gesteht Ulf.

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Der CS-80 aus dem Jahre 1976 ist wohl der bekannteste Synth im Museum. Bis 1979 wurden ca. 2.000 Exemplare gebaut und zu einem Preis von 6.900 Dollar verkauft. Bei der Entwicklung des CS-80 griff Yamaha z. T. auf die Technik des sagenumwobenen, 60.000 Dollar teuren Analogmonsters GX-1 zurück. Bis 1979 wurden ca. 2.000 CS-80 gefertigt, und das Gerät dominierte den Markt für polyfone High-End-Synthesizer (bis zum Erscheinen von SCI Prophet-5 und Oberheim OBX) ca. zwei Jahre lang.

Yamaha History
Die linke Ecke des Synth-Museums mit dem VP1-Boliden (unten) (Bild: Marc Bohn)

»Der voll-analoge Synthesizer verfügt über acht Stimmen und hatte bereits elf Preset-Taster, bei denen intern jede Menge Widerstände umgeschaltet wurden. Außerdem gab es schon die Möglichkeit, über die zahlreichen Bedienelemente und Regler den Sound so einzustellen, wie man ihn haben wollte. MIDI war damals noch kein Thema. Eine Kuriosität dieses Gerätes, das übrigens über einen Ribbon-Controller und polyphonen Aftertouch verfügt, was heute sehr selten ist, sind vier Speicherplätze, die über ein Panel unter einer Klappe auf der Oberfläche bearbeitet werden können«, erzählt Ulf.

Die Intensität von Velocity und Aftertouch, mit denen sich z. B. Filter-Cutoff und Lautstärke steuern lassen, wird bei jeder Klangerzeugungseinheit individuell eingestellt. Auch die Intensität des LFOs (inklusive der LFO-Geschwindigkeit!) lässt sich per Aftertouch steuern. Nicht alltäglich ist auch die Möglichkeit, das Keyboard-Tracking (Filter-Cutoff und Lautstärke) für beide Split-Hälften individuell einzustellen. Das Spielgefühl ist ein wenig eigenwillig und etwas gewöhnungsbedürftig.

Der CS-80 wartet mit zwei identischen subtraktiven Klangerzeugungen auf, die jeweils achtstimmig polyfon sind und im Layer- oder Split-Modus gespielt werden können. Pro Stimme gibt es zwei spannungsgesteuerte Oszillatoren mit den Wellenformen Sägezahn, Rechteck, Sinus und Noise. Für die Pulsweitenmodulation des Rechtecks steht ein eigener LFO zur Verfügung. Die Sinuswellenform wird nicht durch das Filter geleitet und lässt sich u. a. gut zum Andicken des Bassbereichs einsetzen. In der Filtersektion findet man sowohl ein Lowcut- als auch ein Hipass-Filter, die beide mit 12 dB Absenkung pro Oktave arbeiten. Beide Filter sind mit einer Resonanzfunktion ausgestattet, was bei einem Highpass-Filter ziemlich selten ist, allerdings reicht die Resonanz nicht bis zur Eigenschwingung. Die Filterhüllkurve ist dreistufig und lässt sich mit fünf Fadern (Initial Level, Attack Level, Attack Time, Decay Time, Release Time) relativ detailgenau gestalten. Die VCA-Hüllkurve hat eine ADSR-Charakteristik und ist ebenfalls mit einem Level Parameter ausgestattet. Beide Envelopes sind erfreulich schnell.

»Es gab auch einen CS15 und einen CS-30 mit Step-Sequenzern«, ergänzt Ulf. »Der zweistimmige 40M aus der CS-Serie aus dem Jahre 1979 hat auch bereits richtige Speicherplätze und natürlich Regler für die Klangerzeugung. Die beiden Geräte sind die ältesten, die wir hier am Start haben!

Der Yamaha DX7 aus dem Jahre 1983 verfügt über FM-Synthese, die Yamaha schon 1974 von John Chrowning hat patentieren lassen − ein gänzlich neues Syntheseverfahren, das sich von der subtraktiven Synthese durch völlig andere Klänge abgrenzte und dadurch auch zum großen Erfolg wurde. Der DX7 verfügt über 16fache Polyfonie, Speicherbarkeit von Sounds … und die MIDI-Schnittstelle war gerade frisch. Das war dann ein großer Bestseller und ist bis heute der am häufigsten verkaufte Synthesizer weltweit. Das hat natürlich im Gefolge weitere Produkte mit sich geführt, wie beispielweise die große Version DX1. Der DX1 erschien auch im Jahre 1983 und ist ein richtig massiver Technologieträger mit Holzverpackung, Holztastatur und polyfonem Aftertouch, ebenso wie der CS-80. Der DX1 ist im Grunde zwei Mal der DX7 mit erheblich aufgemotzter Bedienoberfläche. Er erschien parallel zum DX7, und da wurde damals an nichts gespart, daher war er auch nicht für jeden erschwinglich. Deshalb kam 1985 der DX5 auf den Markt, im Grunde das Gleiche, aber weniger wuchtig und mit weniger Displays.

Der TX8-16 kam noch vor dem DX5 auf den Markt. Er hatte acht TF1-Module, die jedes für sich einem DX7 entsprechen und auch alle über eine 16fache Polyfonie verfügen. Das ist eigentlich das Gerät, was sich hinter dem klassischen DX7-Sound verbirgt, den man so kennt und mit dem man den 80er-JahreSound verbindet. Das Whitney-Housten-E-Piano kommt eigentlich gar nicht aus dem DX7, sondern man hat einfach acht Mal den Sound übereinander gelegt, ein bisschen verstimmt, und dann kommt diese spezielle Klangfülle, weil man natürlich die einzelnen Ausgänge zum Mischpult geroutet und es dort schön breit gepant hat. Dann klang das auch nochmal weniger drahtig oder metallisch, was ja eben typisch für den FM-Sound ist, sondern einfach breiter. Der TX8-16 war damals also die Studio-Wunderwaffe. Das Programmieren eines DX7 war schon von Grund auf schwierig und nach heutigen Maßstäben sowieso sehr kompliziert. Der TX8-16 war da natürlich absolut reduziert, denn hier musste man zum Programmieren Software und einen Atari nehmen.

Für den DX7 II D, der 1986 erschien und eine Floppy-Disk hatte, gab es sogar ein Rack-Modul. Wir haben den hier stehen, weil es einen Controller von der holländischen Firma Dtronics gibt − 1983 gab es einen sehr raren DX Programmer von der Firma Jellinghaus, der für jeden Parameter des DX7 einen Regler hatte. Den haben sie in Holland nachempfunden und in limitierte Auflage hergestellt. Ich zeig das hier mit dem DX7 II D, weil er eine schnellere MIDI-Engine hat. Damals lief das nämlich nicht über den MIDI-Controller, sondern über systemexklusive Daten, und da ist das alte Modell etwas träger. Mit dem II D funktioniert das in Echtzeit!

“VP1: Ein toller Exot, der bis heute noch außergewöhnlich klingt.”

Der VL1 ist ein Physical-Modeling-Synthesizer aus dem Jahr 1994. Da ging es um die Simulation von Blasinstrumenten, die eben nicht mit konventioneller Synthese gebaut werden, sondern mit der Modellierung des Instrumentes und des Korpus selbst. Das gibt es ja bis heute noch, allerdings selten in Hardware. Da war Yamaha einer der Vorreiter. Der VL1 ist zweistimmig, war schon reichlich teuer und ist über einen Editor für ein Windows-System steuerbar.

Der VP1 ist achtstimmig polyfon und hat um die 50.000 Mark gekostet. Weltweit gab es davon maximal 50. Hier lag der Fokus auf der Simulation von Saiteninstrumenten wie Streicher und Gitarren. Theoretisch lässt sich sagen, dass man mit Physical Modeling eine Saite von einem Kilometer Länge simulieren kann. Das ist natürlich mit Vorsicht zu genießen. Yamaha hat allerdings beim VP1 nicht den vollen Zugriff auf alle Parameter gewährt, da der Fokus auf dem Spielen des Instrumentes liegt. Auch für den Yamaha VP1 gab es einen Editor, aber der ist bei der kleinen Auflage praktisch nicht existent. Dennoch ein toller Exot, der bis heute noch außergewöhnlich klingt!«

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Schade dass Yamaha das Physical Modelling Verfahren nicht weiter verfolgt hat, auch wenn es bis dahin sehr eingeschränkt verwendet wurde.
    Heute kann man mit einer leistungsstarker Hardware und mittels Software praktisch jedes Instrument mittels PM simulieren.
    Die Ergebnisse sind besonders was Hammondsounds betrifft, verblüffend.

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