Es kann ja richtig fliegen!

Neuzeit Instruments Quasar – Binaurales Modul im Eurorackformat im Test

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(Bild: ALEX4 Distribution GmbH)

Wenn man über modulare Synthesizer spricht, geht man in der Regel von einem monofonen Klang aus, der am Ende der Signalkette dieses Instruments zu hören ist. Stereo war hier lange kein sonderlich relevantes Thema, bis sich schließlich immer mehr Hersteller an das Thema heranwagten und auch Module für stereofone oder sogar quadrofone Anwendungen anboten. Nun bringt Thomas Hutmann von Neuzeit Instruments mit Quasar das erste binaurale Modul fürs Eurorack auf den Markt. Und obwohl es zunächst kompliziert zu sein scheint, funktioniert es dennoch erstaunlich gut und ist zudem sehr simpel in seiner Handhabung.

Was bedeutet binaural eigentlich genau? Einfach gesagt kann man mit dieser Technologie aus einem Mono- oder einem Stereo-Signal räumliche 3DSounds kreieren, die man allerdings nur über Kopfhörer deutlich wahrnehmen kann. Die Signale können sich dann nicht nur wie bei einer klassischen Stereoanordnung links oder rechts vom Hörer befinden, sondern lassen sich nun auch vorne, hinten sowie um die Höhenebene erweitert um den kompletten Kopf herum orten. Und auch wenn beim Menschen evolutionär bedingt die Links-Recht-Wahrnehmung am stärksten ausgeprägt ist, so komplettieren die zwei weiteren Dimensionen das Hörerlebnis doch immens, da man sich nun vom Sound »umgeben« fühlt. Dieses Hörerlebnis wird durch einen binauralen Algorithmus ermöglicht, den Thomas Hutmann für sein Modul basierend auf der Kunstkopf-Technologie entwickelt hat.

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Das Interaface des Moduls

Die Frontplatte des Moduls ist sehr übersichtlich  gestaltet, und auch die Menüführung ist eher flach gehalten. Unten befinden sich die Ein- und Ausgangsbuchsen des Geräts. An Audioeingängen sind hier zwei in der Zahl zu finden, die mit den dazugehörigen Drehreglern in ihrer Lautstärke regulieren werden, sowie zwei Steuerspannungseingänge, deren Modulationsziele im Menü des Moduls frei zuweisbar sind. Das binaurale Signal kann man dann schließlich als Stereosignal an den Buchsen »Out L« und »Out R« abgreifen oder die »Phones« Buchse verwenden, um seinen Kopfhörer direkt anzuschließen.

In der Mitte des Moduls ist das Menü-Display zu finden, das sehr intuitiv zu bedienen ist, da es einfach strukturiert ist und kaum Untermenüs beinhaltet. Darüber befinden sich zwei große Encoder, mit denen die entsprechenden Einstellungen im Menü vorgenommen werden können. Durch die auffälligen LED-Ringe der Encoder erhält man zugleich ein visuelles Feedback dazu, wie genau sich die Änderungen an den Parametern auswirken. Ein praktisches Feature, das im Modular-Case auch optisch einiges hermacht.

Binaurale Audioverarbeitung – die Quasare

Was nun genau an den Ausgangsbuchsen zu hören ist, hängt zum einen von den Einstellungen im Menü ab und zum anderen von den drei Lautstärkereglern, die sich ganz oben an der Frontplatte befinden und »Quasar 1«, »Center« und »Quasar 2« heißen. Quasar ist ein vom Entwickler erfundener Kunstbegriff für den internen Algorithmus, der das Eingangssignal an einer virtuellen Position im dreidimensionalen Raum erklingen lässt. Die Audiosignale, die an den Eingängen 1 und 2 anliegen, können über den internen Matrix-Mixer auf eine oder alternativ auch beide Quasar-Positionen geroutet werden sowie auf die Center-Position, die dem unbearbeiteten Originalsignal entspricht. So lässt sich schnell und unkompliziert ein Dry/Wet-Mix mit dem Modul realisieren, ohne tief in das Menü eintauchen zu müssen.

Um nun die Positionen der Sounds im 3D-Raum genauer zu definieren, stehen Parameter wie beispielsweise der Winkel in der Horizontalen (0° bis 360°), der Winkel in der Vertikalen (–30° bis +45°) und die Distanz (20 cm bis 10 m) zur Verfügung, die hierbei immer in Relation zum Kopf des Hörers stehen. Die Koordinaten dieser Positionen können manuell über das Menü eingestellt oder auch durch externe Steuerspannungen sowie interne LFOs moduliert werden, die es zu einem extrem spannenden Hörerlebnis werden lassen können.

Auch optisch ist das Modul ein wahrer Augenschmaus.

Die Modulationsmöglichkeiten

Mit den verschiedenen Optionen zur Modulation wird das Quasar Modul ein richtiges Highlight im Eurorack-System. So kann man die Audiosignale dynamisch um seinen Kopf herumwandern lassen: Seien es realistische Bewegungsabläufe von Vogelgezwitscher beispielsweise, das auf einen zufliegt und dann am rechten Ohr vorbei nach hinten weg verschwindet, wabernde Synthesizer Arpeggios, die beständig um den Kopf herumkreisen, oder auch futuristische Soundeffekte, die im Raum wild umherzischen. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

Die Steuerspannung-Eingänge können hierfür nicht nur jedem beliebigen Parameter im Menü zugewiesen werden, sondern können dabei bis zu vier verschiedene Ziele gleichzeitig in unterschiedlicher Intensität modulieren. Dadurch lassen sich interessante und extrem komplexe Klangfahrten durch den virtuellen 3D-Raum realisieren. Darüber hinaus können zusätzlich die internen LFOs verwendet werden, um die Fahrten und Bewegungen noch weiter auszugestalten. Um das Audiosignal besser in seiner Distanz lokalisieren zu können, hat der Entwickler nicht zuletzt noch einen Raumhall mit zwei Parametern für die Raumgröße und Dämpfung zur Verfügung gestellt, der bei Bedarf hinzugeschaltet werden kann.

Von Filteroptionen und Monokompatibilität. Mit den Filteroptionen im Quasar Modul kann man entscheiden, welche Frequenzen der Eingangssignale zu welchen Positionen im 3D-Raum weitergeleitet werden. Das kann beispielsweise relevant sein, wenn man am Ausgang des Moduls ein monokompatibles Signal erhalten möchte, bei dem die Bässe weiterhin aus der Mitte, also der Center-Position, geortet werden sollen, während die höheren Frequenzen zu den dreidimensionalen Positionen der Quasare geschickt werden. Abgesehen von solch technischen Anwendungsmöglichkeiten können die Filtereinheiten natürlich auch nach Belieben kreativ und experimentell eingesetzt werden.

Das Menü des Quasar Moduls; oben die dazugehörigen großen LEDEncoder

Yoda, Hobbit, Elefant …

Da jeder von Natur aus eine andere Ohrform besitzt und das binaurale Hören zudem anders wahrnimmt, stellt Entwickler Thomas Hutmann im Modul zudem verschiedene Ohrtypen zur Auswahl. Mit den verschiedenen Presets namens Human, Yoda, Hobbit, Bunny und Elephant lässt sich die Intensität des räumlichen Hörens justieren, um das Modul so an die individuellen Bedürfnisse anpassen zu können.

Fazit

Quasar ist ein Modul, das zunächst abschreckend wirken mag, da man es aufgrund der Thematik für recht technisch und kompliziert halten könnte. Und dennoch lässt es sich ohne aufwendige Einarbeitung intuitiv und leicht bedienen, ist überraschend übersichtlich strukturiert und bietet erstaunliche und komplexe Hörerlebnisse, die Lust auf mehr machen. Am eindrucksvollsten kommen die Fähigkeiten des Moduls zum Vorschein, wenn man Signale dynamisch um seinen Kopf im Raum herumfliegen lässt. Während extreme Einstellungen und schnelle Fahrten sehr beeindruckend wirken können und auch ohne Zweifel Spaß machen, sind es meiner Meinung nach allerdings die dezenteren Bewegungen im Sound, die das Hörerlebnis auf Dauer interessant gestalten und das Ohr nicht zu schnell ermüden lassen. Zusammenfassend ist das Modul definitiv eine Bereicherung für jedes Modular-Case.

 

 

Hersteller/Vertrieb: Neuzeit Instruments / Alex4

Internet:
www.neuzeit-instruments.com
www.alex4.de

Preis: ca. 469,– Euro

Unsere Meinung:
++ intuitive und simple Bedienung
++ flexibles Routing
++ weitreichende Modulationsmöglichkeiten
+ das erste Eurorack Modul seiner Art
– nur mit Kopfhörern deutlich wahrnehmbar

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