Die sowjetische TR-909?

Vintage Park: Formanta Rokton UDS

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(Bild: Dieter Stork)

Manche bezeichnen ihn als die sowjetische TR-909, aber das ist Unsinn: Der Formanta UDS ist ein veritabler, mehrkanaliger Drumsynth mit integriertem Sequenzer, der z. T. von den Simmons-Geräten inspiriert wurde.

In den Nullerjahren meldete in der russischen Stadt Kachkanar die Firma Formanta, welche viel zum Kult um sowjetische Klangerzeuger beigetragen hatte und viele Jahrzehnte existierte, Konkurs an. Die einige Kilometer nördlich der Wasserscheide des Ural gelegene Formanta Radio Factory fertigte außerdem nicht nur Radios, sondern auch Staubsauger, Glühbirnen, Heißwassergeräte und last not least Militärtechnik. Bei Musikern, die einen Hang zum Außergewöhnlichen haben, hat der Name Formanta vor allem wegen ihrer eigenwilligen elektronischen Musikinstrumente mit unwiderstehlichem Sowjetcharme einen guten Klang. Zu den bekanntesten Produkten zählt der Polivoks, ein monofoner Analogsynthesizer mit markantem Design und gutem Sound; er ist auch heute noch Kult und auf vielen Produktionen zuhören. Außerdem ist sein Filter Vorbild für eine Reihe von Neugeräten.

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Darüber hinaus gibt es aber noch viele FormantaErzeugnisse, die vielleicht nicht so populär wie der Polivoks sind, aber nichtsdestoweniger ebenso klangstark und vielleicht noch kultiger sind. Dazu gehört z. B. der Formanta Rokton UDS, ein Drumcomputer, der zugleich als Drumbrain eines Elektronik-Drumkits im Stil von Simmons agiert. Die Bezeichnung »Rokton« wurde nicht für alle Geräte der Serie verwendet. Verantwortlich für die Entwicklung und das Design des 1986 vorgestellten UDS sind die Ingenieure Igor Fedoseev und Sergey Naumov.

Die Bedienmatrix des internen Sequenzers

Optik

Das Äußere des UDS vermittelt den Eindruck, als könnte er auch beim Manöver im Feld gute Dienste leisten. Das Gehäuse aus dickem Stahlblech würde sicher auch das Überrollen durch einen Jeep lässig überstehen. Im Vergleich dazu wirkt ein Simmons Drumbrain, wie etwa das SDS 8, geradezu zierlich. Beim Erstkontakt mit dem UDS rächt es sich, wenn man beim Russisch-Untericht häufig gefehlt hat, denn die Beschriftung ist natürlich in der Landessprache, also in kyrillischer Schrift ausgeführt, da ein Export in den dekadenten Westen nicht geplant war. Zum Glück ist unser Testgerät zum Teil schon westlich beschriftet.

Die analoge Klangerzeugung des UDS ist mit sieben Kanälen ausgestattet. Als Klangquellen dienen ein spannungsgesteuerter Oszillator, ein Klick-Impuls, um die Attack-Phase härter zu gestalten, und ein Rauschgenerator mit Pink Noise. Zur Klangbearbeitung kommt ein Filter mit 12 dB Absenkung pro Oktave zum Einsatz; es wird allerdings nur das Noise-Signal gefiltert. Man kann bei jedem Kanal zwischen einem Werks-Preset oder eigenen Soundkreationen wählen. Folgende Parameter findet man bei den ersten fünf Instrumentenkanälen, die für Bassdrum, Snare und Toms vorgesehen sind: Empfindlichkeit (des Trigger-Eingangs), Tonhöhe, Decay-Hüllkurve, Oktavlage, Balance zwischen tonalem Oszillator und Noise-Generator, Filtereckfrequenz des Lowpass-Filters, Attack-Impuls und Kanal-Volume. Von der Einstellung der Decay-Hüllkurve wird auch die Pitch-Envelope beeinflusst. Zwei weitere Kanäle mit reduzierter Parametrisierung (Hüllkurve, Volume) dienen der Erzeugung von Becken und Hi-Hat.

Auf der Rückseite des UDS gibt es einen Stereo- und einen Mono-Ausgang (Klinke und DIN), sieben Trigger-Eingänge und zwei Pedal-Anschlüsse für die Aktivierung der open Hi-Hat und der Umschaltung von Preset-Sounds auf frei programmierbare Parameter.

Sound

Der Sound des Formanta UDS ist kraftvoll und drückt schön im Bassbereich; der Russe braucht sich neben der britischen Simmons-Konkurrenz nicht zu verstecken. Einem Simmons SDS 8 ist meiner Meinung nach überlegen, denn sein Filter packt energischer zu. Sein Hi-Hat-Klang gefällt mir besser als bei den Engländern, denn er ist voluminöser und kann mit den Parametern zudem noch etwas modifiziert werden. Mit einem Fußpedal kann man die offene Hi-Hat aktivieren. Die ersten fünf Kanäle sind zudem mit Preset-Sounds ausgestattet, die einen etwas softeren Charakter haben.

Sequenzer

Der interne Sequenzer bietet 16 Preset-Patterns, die über eine 4×4-Matrix abgerufen werden. Wer jetzt bei Stil-Bezeichnungen wie »POK 1« glaubt, es werden lautmalerische Bezeichnungen verwendet, liegt falsch; das kyrillische R sieht aus wie ein P, also handelt es sich natürlich um einen Rock-Groove. Außer diversen Rock-Patterns, mit z. T. eigenwilliger, aber durchaus groovender Interpretation dieser Musikrichtung, findet man hier auch südamerikanisches und sogar russisches Rhythmus-Kulturgut. Ein cleveres Feature ist die Möglichkeit, den Sequenzer für jede der sieben Spuren zu muten; dabei können die gemuteten Kanäle aber extern getriggert werden. Apropos Triggern: Der UDS lässt sich von externen Geräten mit Audio oder Gate-Signalen ansteuern, Formanta produzierte den Drumsynth aber ursprünglich als Teil bzw. als Drumbrain des Rokton-Drumsets. Dazu gehört auch ein Drumkit im Simmons-Style mit Bassdrum und diversen Pads. Die Pads sind allerdings nicht wie bei Simmons sechs- sondern fünfeckig.

Das originale Formanta-Drumkit

Controller

»Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser …«, wusste schon Lenin. Daher bot Formanta auch noch einen gitarrenähnlichen Kontroller für den UDS an. Das Vorbild war hier der innovative, aber schwer zu spielende Rhythm Stick von Dynacord; er sollte dem Missstand abhelfen, dass Drummer meist im Hintergrund agieren und den Schlagwerker in die erste Reihe holen. Mit diesem Pad-Controller, der wie eine Gitarre geformt ist, lassen sich mit der rechten Hand die Samples des Percuter mithilfe zweier Pads (im Stil eines slappenden Bassisten) antriggern, während man mit der linken Griffhand die Sounds per Folientaster wechselt. Der Controller von Formanta ist zwar vom Rhythm Stick inspiriert, sieht aber aus, als könnte er auch der Absicherung des Luftraums über dem Ural dienen. Das liegt vor allem an dem halbrunden Touchball, den man mit den Fingern antriggern kann – vermutlich hat der Designer vorher Radarkuppeln für die Rote Armee entworfen. Der futuristisch-militärisch wirkende Formanta-Controller war aber ebenso wie der Rhythm Stick eine evolutionäre Sackgasse, denn es erfordert eine hohe Übungsbereitschaft und Kunstfertigkeit, damit einen guten Groove zu generieren.

Braucht man für den Formanta-Controller womöglich einen Waffenschein? ...
... Sein Vorbild war der gitarrenähnliche Rhythm Stick von Dynacord.

User

Der Formanta UDS ist ein echter Geheimtipp und meist nur über spezielle Kanäle zu bekommen, daher gibt es in unseren Breiten auch nur eine Handvoll User. Zu diesen gehört z. B. Steve Baltes, der das Gerät manchmal bei den Produktionen für sein Synth-Pop-Projekt Arctic Sunshine einsetzt (www.facebook. com/wearearcticsunrise), und der schwedische Techno- und House-Produzent Per Hammar, bei dem es einen Ehrenplatz in seinem mit Patrick Siech betriebenen Euromix-Studio in Malmö (https://euromix.net) hat (siehe Interview). Die beiden haben auf ihrer Website diverse nützliche Tutorials zu clubkompatiblen Techno-Produktionen und bieten auch Services wie Mixdown und Mastering an. Per Hammar hat den UDS z. B. auf dem Track …Inter City… auf seinem Pathfinder-Album (auf Dirty Hands) verwendet.

Der Formanta UDS wurde uns freundlicherweise von Steve Baltes zur Verfügung gestellt.

Hardware rockt: Per Hammars Euromix Studio, u. a. mit Roland SH-101, Roland Space Echo und natürlich dem UDS.

Wir haben dem schwedischen Elektronik-Produzenten und UDS-User Per Hammar, der auf Labels wie Drumcode, Semantica und Parabel veröffentlicht hat, ein paar Fragen zum Formanta UDS gestellt.

Per Hammar

Wo hast du den Formanta UDS gekauft?

Mich faszinieren vergessene und unbekannte Geräte. Ich kaufe oft billige Synths, Drumcomputer oder Effekte im Netz, ohne dass ich weiß, wie sie klingen. Als ich merkte, wie viel interessante, unbekannte Sowjet-Geräte es gibt, begann ich, Informationen darüber zu sammeln. Ich kenne jemanden in der Ukraine, der obskure Sowjet-Maschinen sammelt, und der hält mich auf dem Laufenden. Als ich den UDS von ihm mit der Post bekam, waren die Verpackung und das Gerät wegen des Gewichts beschädigt – er wiegt so viel wie ein kleiner Panzer –, und ich musste ihn reparieren lassen. Einige Ersatzteile waren nicht zu bekommen und mussten von meinem Techniker nachgebaut werden.

Welche Eigenschaften des Formanta UDS gefallen dir?

Ich mag ihn, weil er nicht wie andere Maschinen klingt, die ich habe. Man sollte außerdem die Bedeutung des Look & Feel eines Gerätes nicht unterschätzen. Ich will mit meinem Equipment im Studio emotional verbunden sein. Wenn ein Teil ästhetisch ansprechend ist, wirkt sich das positiv auf meine Kreativität aus; besonders wenn es eine historische Dimension hat wie beim Formanta.

Wie setzt du den Drumsynth in deiner Musik ein?

Sowjet-Equipment klingt meist ziemlich roh und ist oft eher nicht für softe oder edle Sounds geeignet. Den UDS kann man nicht nur mit Drumpads, sondern auch mit Gate- oder Audio-Signalen triggern, sodass er sich gut in eine Eurorack-Umgebung integrieren lässt oder ein Audioloop als Trigger genutzt werden kann; die kreativen Möglichkeiten sind groß. Ich nutze ihn vor allem für perkussive Sounds, Basslines und Effekte. Er kommt meist dann zum Einsatz, wenn ein paar ungezähmte, rohe Klänge benötigt werden.

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