Rhodes auf Tretmine

Organ Explosion-Interview mit Souljazz-Keyboarder Hansi Enzensperger

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Sie hätten das alte Instrumentarium aus Omas Keller geholt, heißt es auf der Homepage von Organ Explosion. So eine Oma hätte man wohl auch gerne, schießt es einem durch den Kopf, wenn man schließlich davorsteht: Wurlitzer, Rhodes, Hammond, Leslie, AC-30, klanglich bestens in Schuss und mitreißend gespielt von Hansi Enzensperger, Keyboarder des Jazz-Trios Organ Explosion.

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(Bild: Florian Huber)

Hier ist aber kein Purist am Werk, der sich dem historischen Klang verpflichtet fühlt, sondern ein moderner Vollblut-Keyboarder, der seine Vintage-Instrumente durch alle Gadgets jagt, die die prall gefüllten Regale der Musikshops zu bieten haben. Diplom-Jazzpianist, Absolvent der Münchner Musikhochschule, aber auch Handwerker, Lötkolbenvirtuose und Meister der Tretminenverdrahtung

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Bevor wir tiefer in den »Rig Rundown« einsteigen: Organ Explosion wäre nicht das, was sie sind, ohne Hansis Mitstreiter Manfred Mildenberger (drums) und Luwig Klöckner (bass). Kommilitonen von der Hochschule und beide ebenfalls seit Langem erfolgreich professionell unterwegs. Seit 2011 sind die drei als Organ Explosion auf Tour und haben eine traumwandlerische Sicherheit im Zusammenspiel entwickelt. Mitreißend, faszinierend und der Tipp, wenn man mal wieder »richtig Musik hören« will …


 

Bei deinem Instrumentarium eine Frage vorweg: Ist dein Techniker ein Spezialist für Vintage-Instrumente?

Wie er es formuliert: Er »repariert alles, was Strom braucht und alt ist«. Es ist Uwe Menrath aus Tauberbischofsheim. Er hat sehr sehr viel Erfahrung mit diesen Instrumenten und ein unwahrscheinliches Wissen− nicht nur um die Instrumente wieder in Spezifikation zu bringen, sondern auch darüber hinaus: Er modifiziert sie, um sie weiter zu optimieren. Er hat die Hammond in ihrer Funktionsweise verinnerlicht, so dass er mich selbst bei akuten Problemen telefonisch navigieren kann, um den Fehler zu finden. Kabelfarben, Widerstandswerte – alles ist bei ihm präsent.

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(Bild: Florian Huber)

Stimmt, es fehlt wirklich nichts an deinem Orgel-Sound, sie klingt perfekt!

Um das große Potenzial der Hammond auszuloten, müssen alle besonderen und klangbildenden Parameter in bester Ausprägung gegeben sein. Aber auch bei bester Wartung und Pflege gibt es manchmal Aussetzer. So kommt es manchmal vor, dass auf einer Taste plötzlich nicht alle Zugriegel wirken. Dann muss man halt wieder ran!

Apropos klangbildend: Im Studio hast du zwei Leslies in Betrieb, auf der Bühne nur eines …

Ich habe ein 122er und ein 147er, das ich auf ein 122er umgerüstet habe. Wichtig war für beide die Wahl der richtigen Röhren. Wir haben KT88er drin statt der 6550er-Endstufen-Röhren. Die KT88 fangen später an zu zerren und erlauben mir somit eine höhere Clean-Lautstärke auf der Bühne. Aus Platzgründen habe ich oft nur ein Leslie dabei, richtig. Aber wenn es die Bühne zulässt … weshalb verzichten?

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(Bild: Florian Huber)

Kommen wir zur Hammond-Gretchenfrage: Alternativen, Clones, virtuelle Hammond-Nachbildungen? Hast du das schon einmal erwogen?

(räuspert sich) Also, ehrlich gesagt: Wenn man sich so anschaut, wie der Klang der Hammond/Leslie-Kombination entsteht … es ist ja eigentlich unmöglich, das elektronisch zu reproduzieren, oder?

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(Bild: Florian Huber)

Live sicherlich nicht, aber der Vergleich wäre ja fairerweise der zwischen einer aufgezeichneten, bestens mikrofonierten Hammond und dem virtuellen Instrument.

Ja, aber nicht für mich! (lacht) Ich spiele ja hauptsächlich live, da sitze ich ja neben meinen Originalen, und das gefällt mir eindeutig besser.

 

Auf der Tour im vergangenen Jahr warst du noch mit dem Wurlitzer A 200 unterwegs, seit kurzer Zeit ist das Fender Rhodes dabei. Du sagtest im vergangenen Jahr, das Wurly passt grundsätzlich besser zur Hammond. Was im übrigen auch die meisten Rock-Keyboarder betonen.

Das bleibt im Prinzip auch richtig, das Wurlitzer ist schon aggressiver und schneidet besser durch. Aber was mich immer gestört hat, ist sein vergleichsweise kurzes Sustain im Vergleich zum Rhodes. Der Ton des Rhodes entwickelt sich im Zeitablauf deutlich. Ist zwar beim Wurlitzer auch so, aber der Ton fällt schneller ab, und somit hörst du es live dann nicht mehr

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(Bild: Florian Huber)

Das Rhodes klingt bei dir ähnlich druckvoll wie das Wurlitzer. Machst du das mit den Effektgeräten?

Ja und nein. Auch hier habe ich natürlich wieder den Deckel abgenommen. (schmunzelt) Ich habe die Tonabnehmer viel weiter an den Klangstab gesetzt − nur 1 bis 2 Millimeter − und damit den Attack deutlich verbessert. Jetzt habe ich »best of both worlds« sozusagen. Ich benutze im Studio auch weiterhin das Wurlitzer. Dort kann man ein präziseres und aufgeräumtes Klangbild schaffen, weshalb das kürzere Sustain des Wurlys nicht mehr so ins Gewicht fällt. Und falls doch, einfach mit dem Rhodes doppeln!

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Hansi Enzensperger (Bild: Florian Huber)

Wie ist der Signalfluss des Setups organisiert?

Zunächst haben wir der Hammond noch einen Direktausgang verpasst, am Leslie vorbei, und ich habe einen SPL Grapevine Keymix 6 in den Signalfluss integriert. So kann ich nicht nur das E-Piano durch die Effekte schicken, sondern auch den Synthesizer und die Orgel. Das Signal geht durch eine Palmer D.I. und dann in einen Focusrite Green Channelstrip. Hier gefällt mir besonders der „Make up Gain“ beim Kompressor, der akustisch wahrgenommen die leisen Signale lauter macht, nicht die lauten leiser. Aus dem Focusrite geht es in den SPL Keymix, dann weiter in einen ART S8-Splitter, dann kommt das Strymon Flint Reverb, der Mooger Fooger Ringmodulator, das Strymon Time Line, zurück in den ART S8 Splitter, dann in den Vox AC-30.

Aus dem Reverb in ein Delay? Das kenne ich nur umgekehrt …

Stimmt. Aber der Strymon Flint kann eine endlose Hallfahne erzeugen. Mit dem integriertem Tremolo kann man so schon ganz spacige Drones erzeugen. Um dem aber noch eines draufzusetzen, kommt jetzt der Ringmodulator, welcher in das Delay weitergeleitet wird. Das Delay gibt einerseits noch mehr Variation in der Collage und hilft andererseits dabei, gröbere Veränderungen am Modulator weicher aufzufangen. Die Palmer DI Box verwende ich, um mit einem symmetrischen Signal in den Channelstrip zu gelangen, den ART S8-Splitter, um danach wieder unsymmetrisch in die Bodentreter zu gehen. Außerdem dient der ART am Ende der Kette zur Beseitigung von Störgeräuschen − der Synthesizer braucht übrigens schon am Anfang der Kette den ART.

Du benutzt außerdem einen Sequential Circuits Pro-One.

Ja! Ich habe meistens den brachialen Pro-One dabei, der wirklich als Waffe zu bezeichnen ist. Aber auch der Roland Jupiter-4 ist im Einsatz.

Ihr seid ja regelmäßig auf Tour. Ich habe gehört, ihr seid auch mit einem neuen Recording-Projekt beschäftigt. Was gibt es zu erzählen?

Das Projekt war eine große Herausforderung, und das Ergebnis wurde im April veröffentlicht. Man hatte uns nach einem Gig angesprochen, ob wir Interesse hätten an einer Live-Aufzeichnung in den Bauer Studios in Ludwigsburg.

Oh, allererste Adresse!

Unserer spontanen Begeisterung folgte dann ein kurzer Anflug von − sagen wir mal − »erhöhter Nervosität«, denn wir wurden eingeladen zu einer Aufnahme für die renommierte Reihe »Studio Konzerte«: Ein Mitschnitt live vor Studiopublikum über die AMS Neve VSX-Konsole direkt auf eine Studer 820-Zweispurmaschine. Die Aufzeichnung wird dann auf Vinyl gepresst und als Sonder-Edition veröffentlicht. Die Aufnahme fand statt am 22. Januar 2015.

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Hansi Enzensperger (Bild: Florian Huber)

Das stelle ich mir sehr anspruchsvoll vor. Ein immenser Druck …

Stimmt. Aber das darfst du dir gar nicht erst vorstellen, sonst ginge es sicher schief. Man muss die Aufnahmesituation völlig ausblenden und sich nur darauf konzentrieren, dass man ein Live-Konzert gibt, grade mal nicht in einem Jazzkeller, sondern vor einem Publikum in einer etwas anderen Venue. Man muss den Kopf frei haben und darf gar nicht erst auf die große rote Lampe »Achtung Aufnahme!« schauen.

Und spielen könnt ihr ja, das ist gewiss. Wird es auch eine CD-Veröffentlichung davon geben?

Nein, strictly vinyl. Die Platte wird auf dem »Neuklang Label« in Kooperation mit den »Enja Records« erscheinen. Am 22. April fand das Release-Konzert statt in München, im Ampere in den Muffatwerken! Momentan arbeiten wir an unserem zweiten Album, welches voraussichtlich im November 2015 veröffentlicht wird. Das wird es dann auch wieder auf CD geben

Super, vielen Dank, und euch dreien weiterhin viel Erfolg!

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(Bild: Florian Huber)

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