Stellare Ausflüge

Marc Romboy im Interview

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(Bild: Markus Thiel)

Der Produzent, DJ und Label-Inhaber Marc Romboy ist in seiner eigenen Form des Post-Techno angekommen. Statt in dunklen Clubs trifft man den sympathischen Mönchengladbacher immer öfter in Konzertsälen, wo er mithilfe klassischer Musiker Debussy neu interpretiert.

Auf seinem aktuellen Album Voyage de Planéte, für das Marc Romboy eigens das neue Label Hyperharmonic aus der Taufe hob, lässt er klassische Streicher und Flügel auf eine ausgesprochen eigene, bisher ungehörte klassische Ästhetik der Elektronischen Musik treffen. Wir trafen uns im Mastering-Studio von Steffen Müller in Duisburg und sprachen über die Hintergründe, die letztlich zu dieser außergewöhnlichen Symbiose führten.

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Kannst du etwas zur Entstehungsgeschichte deines neuen Albums erzählen? Ich muss sagen, ich finde es sehr, sehr speziell auf eine wirklich gute Art.

Vielen Dank! Das freut mich immer wieder zu hören! Und das sag ich nicht nur so, sondern das meine und empfinde ich auch so.

Es ist gar nicht so einfach, die Entstehung in vermeintlicher Kürze zu beschreiben. Ich habe ja bereits 1991 mit dem Musizieren angefangen. Davor habe ich fleißig Platten gesammelt. Alles, was damals Techno und House war und irgendwie außergewöhnlich klang, haben wir gekauft und verschlungen. Auch heute, nach über 25 Jahren, kann ich mich immer wieder neu für Elektronische Musik begeistern, egal wie sie sich darstellt. Es gab halt immer wieder Impulse und Entwicklungen, die mich total motiviert haben − irgendwas hat mich immer angetrieben.

In den letzten Jahren hatte ich dann aber so eine Phase, in der ich dann − vermutlich durch mein Alter, aber auch durch die Entwicklung − so ein Zeitfenster hatte, wo die allgemeine Begeisterung doch quantitativ stark nachließ. Zur selben Zeit habe ich auch gemerkt, dass ich nicht mehr ständig elektronische Dance Music hören kann − ich hab’s wirklich immer gehört − Mixtapes im Auto oder so was − und fand das immer super. Ich habe mich dann dabei erwischt, dass ich im Auto auch sehr gern mal WDR 3 anmache. Vorher hatte ich eigentlich mit klassischer Musik nicht mehr oder nicht weniger zu tun als andere Menschen. Klar, Beethovens 5. und 9. kennt man, Mozarts Kleine Nachtmusik und Ravels Bolero haben sich auch schon rumgesprochen. Ist aber nicht so, dass ich da in der Vergangenheit besonders intensiv eingetaucht wäre. Irgendwie hat sich dann auch meine Musik geändert, in der es auf einmal Elemente gab, die melodiöser und komplexer waren. Ich merkte zunehmend, dass ich den stressigen Techno, wie ich ihn empfinde, nicht mehr mochte, und dass sich dies in meiner Musik manifestiert.



Den Testbericht des aktuellen Clavia Nord Stage 3 findet ihr in der Keyboards-Ausgabe 04/2017. Hier versandkostenfrei bestellen. 

№4 2017

  • Modular Kolumne
  • FOO FIGHTER RAMI JAFFEE
  • INTERVIEW MIT MATT BLACK VON COLDCUT
  • OMD
  • Look Mum No Computer
  • Beardy Guy von Walk Off The Earth
  • STAGEPIANOS: DIE NEUE EINFACHHEIT
  • Ungesichert: Fusebox
  • Touché! Ein sehr sensibles Brett!
  • Inside Clavia: Besuch in Stockholm
  • REISE ZUM URSPRUNG DER SYNTHESE
  • DIE HAMMOND-STORY
  • Transkription: Chilly Gonzales –  Solitaire


Im Herbst 2015 kam dann das Angebot der Dortmunder Philharmoniker, im Dezember 2016 ein Konzert zusammen mit Orchester zu geben. Ich habe sofort zugesagt, ohne zu wissen, was da auf mich zukommt. So habe ich dann klassische Musiker kennengelernt. Das war genau in der Phase, als das Album in die Produktion ging. Infolgedessen ist das Album dann letztlich auch komplett anders geworden, als ich es mir vorher ausgemalt hab.

Die Symbiose der Streicher auf dem Album mit deiner Auswahl an klassisch elektronischen Elementen, die aus ihrer Schönheit heraus gar nicht erst versuchen müssen, irgendeinen Zeitgeist aufzuholen oder »ahead« zu sein, fand ich wirklich sehr gelungen. Es trägt gut und demonstriert gleichzeitig, wie der Minimalismus als Keimzelle des Ganzen funktioniert.

Ja, das trifft es ganz gut! Da sind wir dann auch gleich bei dem Punkt, wo man wirklich riesengroße Schwierigkeiten hat, über die Musik zu reden. In der Promotion-Phase des Albums hatte ich versucht, meiner französischen PR-Agentur verbal näherzubringen, was dieses Album im Kern ausmacht. Ich habe ihnen geschrieben, dass es so eine Art Hybrid aus klassischen Elementen und Elektronischer Musik ist, in der Form, wie ich es empfinde und mir vorstellen könnte, dass Musik in 100 Jahren vielleicht so klingt. Vielleicht könnte es sogar eine Art Genre sein, welches zukünftig das Zeug zum Mainstream hat. Mein PR-Agent aus Paris rief mich dann an und meinte, als er meine Mail gelesen habe, hätte er das Schlimmste erwartet. Als er dann endlich die Platte gehört hatte, war er begeistert − zum Glück!

Ich habe dabei gemerkt, dass, wenn man über Musik reden möchte, man total an seine Grenzen stößt. Es gibt ja diesen bekannten Spruch von Frank Zappa: »Über Musik zu reden ist wie zu Architektur zu tanzen.« Genialer Spruch! Aber er trifft den Nagel auf den Kopf! Deshalb tu ich mich auch so schwer damit, zu dieser ganzen Entwicklungsphase was zu sagen. Weil da auch viele Emotionen mit drin sind.

(Bild: Vanessa Romboy)

Wie gehst du grundsätzlich an die Konzeption ran? Gibst du dir eine feste Richtung, oder lässt du dich da völlig treiben?

Da lasse ich mich wirklich total treiben! Früher habe ich klassisch in Cubase mit einem leeren Arrangement losgelegt, einen Haufen Stoff gesammelt, und schließlich habe ich die Legosteine dann zu etwas zusammengebaut. Vor drei Jahren bin ich dann zu Ableton Live gewechselt. Seitdem mache ich auch wieder vermehrt mit analogen Geräten Sessions. Die Takes nehme ich dann auf und lasse sie im Anschluss erst mal liegen. Mir war es wichtig, dieses Momentum der Sessions wieder in die Musik reinzubekommen, da ich immer mehr gespürt habe, dass man so einfach viel innovativer arbeitet. Wenn man sich zu viele Vorgaben macht, ist man doch am Ende sehr limitiert. Ich möchte so einfach nicht mehr arbeiten!

Ich habe also angefangen, Sessions zu sammeln, was auch irgendwie immer mit meinem Label Systematic Sounds einhergeht, auf dem ich ja zusammen mit meinem Partner Jürgen Driessen Soundpacks veröffentliche. Dabei habe ich gemerkt, wie gut man sich in seinem eigenen Material zurechtfindet, sobald man den richtigen Abstand dazu hat.

Mit der Weiterbearbeitung der ausgewählten Clips lande ich dann meist in unterschiedlichsten Plug-ins oder Max-for-Live-Anwendungen, wobei ich immer versuche, dem Sound einen bisher ungehörten Charakter anzuheften − das hat bei der aktuellen Produktion super funktioniert, ich bin sehr, sehr happy mit dieser Arbeitsweise.

Ich mach auch kein Geheimnis daraus, was ich sonst noch benutze: Ich setze in mehreren Stücken wirklich sehr alte Drumcomputer aus den 70ern ein, weil die witzigerweise wieder frischer klingen als eine 808 oder 909. Natürlich klingen die beiden Roland-Klassiker immer noch toll, sie haben aber nicht mehr diese Magie, die sie vielleicht in den 90er-Jahren hatten.

Welche Maschinen hast du letztlich eingesetzt? Hier und da klingt es auf deinem Album fast wie die Rhythmuseinheit einer Elka-Orgel − ein grooviger und sehr perkussiver Sound.

Ja, genau. Das ist auch durch diese Session-Geschichte entstanden. In erster Linie kam da eine Roland CR-78 zum Einsatz sowie eine Korg Mini Pops 7. Der Klang von Letzterer ist ziemlich bekannt, weil Jean-Michel Jarre sie ziemlich häufig eingesetzt hat, beispielsweise auf Equinoxe. Wenn du bei der Maschine zwei Rhythmus-Tasten gleichzeitig drückst, dann kommt da unter Umständen so ein randomisierter, verrückt klingender Groove raus − muss nicht, aber kann.

Viele Soundergebnisse sind auch in der späteren Bearbeitung dem Zufall geschuldet. Manchmal ist man echt überrascht, was da am Ende so rauskommt.

(Bild: Markus Thiel)

Im Prinzip sind diese Kisten ja eigentlich noch weiter weg von dem, was man ursprünglich wollte. Ist das vielleicht das Interessante?

Das Interessante ist, dass die Ingenieure ja damals probiert haben, nach Möglichkeit wie ein echter Drummer zu klingen. Das war ja in den 70ern quasi ein epic Fail − selbst in den 80ern, wenn man sich die Kuhglocke der TR-909 anhört, die ja später Kult wurde. Aber artifizieller kann eine Kuhglocke doch gar nicht mehr klingen. Jedes Mal, wenn ich mit einem Drumcomputer arbeite, der vor den 80ern rausgekommen ist, stelle ich fest, dass man damit wirklich tolle Sachen fabrizieren kann.

Ist die Drummachine bei dir auch ein Stück weit kompositorische Basis − gehst du zuerst an den Groove ran?

Da gibt’s eigentlich keine chronologische Reihenfolge, ich lege einfach los. Klar, ein Groove kann’s immer sein. Auf der anderen Seite habe ich jahrelang immer mit der Basslinie angefangen, aber da gibt’s jetzt eigentlich kein Muster mehr.

Das ist ja auch bei dem Album nicht wirklich herauszulesen. Was man aber bemerkt ist, dass sich alle Tracks hervorragend in den Gesamtkontext einbinden.

Das soll auch so sein. Voyage de la Planète soll wirklich ein Album sein. Eine Sache, die zwar angeblich nicht mehr dem Zeitgeist entspricht, aber ich kann nur empfehlen, die Platte in einem Rutsch zu hören, so wie man das früher gemacht hat.

Marc Romboy − Voyage de la Planéte ist seit dem 17.03.2017 erhältlich.

Ich denke, das kommt auch wieder. Dieses »Bits and Pieces«-Sammeln von Spotify & Co ist schön und ein wahnsinniger Komfort im Vergleich zu einer Zeit, in der man in den Laden rennen musste, um sich ein komplettes Album zu kaufen, weil man gerade den Song geil fand. Ich denke, als Anzeichen für ein allmähliches Umdenken kann die steigende Plattenspieler- und Vinyl-Nachfrage gewertet werden.

Ja lustig. Ich habe nie aufgehört, Vinyl zu produzieren, gebe aber offen zu, dass sich gerade der DJ-Job mittlerweile vom Vinyl über gebrannte CDs bis hin zum USB-Stick entwickelt hat. Was natürlich pragmatische Gründe hat, und man kommt über Freunde an Sachen, die es einfach nicht auf Vinyl gibt. Auf jeden Fall ist es eine schöne Entwicklung, die ich auch so gar nicht für möglich gehalten hätte.

Darüber hinaus, wenn wir jetzt schon mal bei der Klassik sind: Es gibt natürlich auch sehr viele Puristen, die überhaupt nicht bereit sind, z. B. klassische Musik auf CD zu hören, weil sie diese Glitches nicht mögen.

Und was die Playlisten betrifft − du sagtest eben »Komfort«. Ich empfinde das manchmal gar nicht als Komfort, ich empfinde das manchmal eher als Gegenteil, weil es auch eine gewisse Arbeit erfordert, die Playlist zu pflegen, und das ist auch nicht jedermanns Sache.

Deshalb find ich’s auch total schön, in sich geschlossene Werke hören zu können. Ich bin halt ein Kind der 70er und 80er. Wenn ein Artist ein Album rausbringt, gehe ich erst mal davon aus, dass er sich dabei auch was gedacht hat.

Besonders in der Dance-Music passiert es jedoch leider immer wieder, dass Leute vermeintliche Alben rausbringen, wo dann acht, neun oder zehn Stücke drauf sind, die aber erstens keinen Zusammenhang haben und zweitens auch alle für sich allein genommen gespielt werden können. In diesem Moment entzieht man natürlich dem Album seine Bedeutung. Ich habe das auch eine Zeitlang probiert. Man versucht, alles irgendwie ein bisschen zusammenzuhalten, aber das kann natürlich nur bedingt funktionieren.

Eine Compilation bleibt halt immer eine Compilation. Da entwickeln sich keine Synergien.

Nee, überhaupt nicht. Ich find’s bei Spotify zum Beispiel total super, wenn da Leute Playlisten anbieten. Das find ich angenehm, dann sind wir aber bei ’nem Bundle und nicht bei dem einzelnen Stück oder Album.

Thema Gesamtwerk »Album« − wo wir gerade schon in Steffens Mastering-Studio zusammensitzen: Welche Rolle kommt aus deiner Sicht dem finalen Produktionsprozess zu?

Mein Album trägt zwar meinen Namen, aber ich bin alles andere als eine One-Man-Show. Das geht schon bei der Produktion, genaugenommen sogar bei den Sessions los, die sehr häufig in Zusammenarbeit mit Jürgen stattfinden. Das Arrangement und die Komposition mache ich dann meist mit Ali Khalaj aus Berlin. Von ihm kommen viele wichtige Impulse, die in meine Arbeit mit einfließen.

Von da aus geht es dann − zwar nicht immer, aber doch gelegentlich − zu einer Person, die das dann auch noch richtig gut Mischen kann, was im vorliegenden Fall Hannes Bieger aus Berlin war. Bei Voyage de la Planète fehlten für einen Mixdown eigentlich jegliche Referenzen, da es so etwas bisher eigentlich nicht gab. So habe ich mit Hannes in stundenlangen Sitzungen erst mal einen Plot erarbeitet, wo das Ganze hingehen kann. Letztlich hat er es geschafft, die ganzen klassischen Elemente wie Violine, Cello und das Piano sehr schön einzubetten und alles zu einer Einheit zu verschmelzen − und das hört man auch!

Ich hatte auch selber fünf Mischungen gemacht, bei denen ich mir ziemlich sicher war, dass sie durch Hannes Versionen nicht zu toppen sein würden. Auf der anderen Seite wusste ich, dass im Gegenzug die fünf anderen Mischungen von Hannes definitiv besser waren. Schließlich haben wir mit den fraglichen fünf Tracks einen Blindvergleich hier im Studio gemacht, und − ich mag es sportlich gesehen gar nicht sagen − ich habe gegen Hannes 0:10 verloren und dadurch im Endeffekt wieder gewonnen. (lacht)

Ich kann diese Vorgehensweise wirklich nur jedem empfehlen. Wenn man versucht, alles selber zu machen, merkt man oft gar nicht, wie sehr einem das eigene Ego manchmal bei der Beurteilung der eigenen Arbeit im Weg steht. Reflexion mit den richtigen Menschen zu den richtigen Themen ist mir mittlerweile schon enorm wichtig!

Ein Stück weit kostet es aber doch auch Überwindung, sein Baby einfach so wegzugeben.

Man gibt ja auch relativ viel von sich preis. Auf der anderen Seite möchte man ja vielleicht auch nichts Negatives über seine Arbeit hören. Da spielen so viele psychologische Faktoren und natürlich auch wieder das eigene Ego mit rein. Man muss sich diesen Abstand zu sich selbst erst einmal erarbeiten.

Marc Romboy und Steffen Müller (Bild: Markus Thiel)

Trifft das in dieser Weise auch auf das Mastering zu?

Für das Mastering haben Steffen und ich uns auch noch mal sehr viel Zeit genommen. Wir mussten auch hier sehr viele Entscheidungen treffen, ob es ein wenig mehr Richtung Club oder doch eher audiophil werden soll. In diesem Punkt haben wir uns dann aber doch recht schnell für letztere Variante entschieden. Den Rest kann Steffen glaube ich besser erklären.

Steffen Müller: Hannes’ Mix besaß eine ungemeine Dynamik, die es in den Griff zu bekommen galt, ohne den Gesamteindruck zu schmälern. Einige Tracks brauchten letztlich ganze 4 dB Kompression, am Ende sollte man es aber nicht hören. Dafür braucht man dann natürlich auch Geräte, die die Tracks sehr behutsam massieren. Der Gamechanger bei diesem Vorhaben war schließlich ein Weiss DS1-Kompressor. Leider teuer und leider geil! Im Prinzip bestand die Aufgabe bei diesem Album daraus, die Dynamik zu killen, ohne die Dynamik zu killen.

Marc: Eine Herausforderung bestand auch darin, die Balance zwischen elektronischen Instrumenten und den akustischen Streichern herzustellen − eine Kombination, die Steffen auch nicht alle Tage auf dem Pult hat. Am Ende hat es aber doch funktioniert.

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