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Korg Poly 61 (*1982) Polyfoner Analogsynthesizer

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Korg Poly 61 (*1982) Polyfoner Analogsynthesizer (Bild: Dieter Stork)

Der Poly 61 von Korg gehört bis heute zu den Analogsynthesizern, bei dem die Meinungen auseinandergehen. Viele Synthfreaks standen dem Nachfolger des erfolgreichen Polysix schon bei seiner Markteinführung eher ablehnend gegenüber.

Dabei waren die Eckdaten des Instruments auf den ersten Blick gar nicht übel: Im Gegensatz zu seinem Vorgänger – der Polysix ist nur mit einem Oszillator und 48 Speicherplätzen ausgestattet – bietet der Poly 61 zwei Oszillatoren, hat 64 Programmspeicherplätze und ist ebenfalls sechsstimmig; auch der On-Board-Arpeggiator wurde nicht vergessen. Aber der Neuling unterscheidet sich vom Sound her doch sehr vom Polysix, und seine damals angesagte Bedienphilosophie mit wenigen Reglern war (und ist) auch nicht jedermanns Sache.

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Dadurch konnte man das Gerät allerdings wesentlich güns – tiger herstellen. Der Poly 61 kam 1982 auf den Markt und kostete ca. 3.200 Mark, was aus heutiger Sicht kein Schnäppchenpreis ist; damals allerdings war das für einen polyfonen Synth nicht viel Geld. Zu den Usern, die den Poly 61 eingesetzt haben, gehören die US-Wave/Electroclash-Band The Faint und die kanadische Pop-Punk-Band FM Static.

Äußeres

Der Poly 61 zählt zu den ersten Synthesizern, die eine „digitale“ Bedienoberfläche mit wenigen Realtime-Reglern bieten und bei denen man immer nur einen Parameter verändern kann. Die Werteeingabe erfolgt mit Plus/Minus-Tastern – einen Data-Regler sucht man vergeblich. Eine sparsame „coole“ und irgendwie futuristische Bedienoberfläche war aber Anfang der Achtziger auch en vogue; der DX7, der wenig später herauskam, verfügte über noch weniger Regler und war eine riesiger Erfolg.

Die Gehäuseoberseite des solide gefertigten Gerätes besteht aus Metall, die silbergrauen Seitenteile und die Unterseite sind aus Holz bzw. Pressspan. Die einfache Tastatur umfasst fünf Oktaven und hat teilweise bei nicht wohnzimmergepflegten Geräten mit Kontaktschwierigkeiten zu kämpfen, die sich aber durch Reinigung der Kontakte beheben lassen. Das Gleiche gilt für die Taster der Bank- und Parameteranwahl.

Drei zweistellige Displays informieren über Patch-Nummer, Parameter und Werteingabe. Da alle Klangparameter aufgedruckt sind, wird der Blick ins Handbuch überflüssig. Als Spielhilfe kommt der Korg-typische Joystick zum Einsatz, der vertikal als Pitchbender fungiert und horizontal als Vibrato (nach oben) bzw. Cutoff-Modulation (nach unten) agiert. Der zugehörige LFO und das Intervall des Pitchbendings lassen sich mit jeweils einem Poti regeln. Ansonsten sieht’s aber in Sachen Realtime-Eingriff düster aus: Außer dem Lautstärke- und dem TUNE-Regler gibt es dann nur noch ein Poti für die Geschwindigkeit des Arpeggiators.

Dieser bietet eine Latch-Funktion, verfügt über die Betriebsarten Up, Down und alternierend und besitzt einen dreistufigen Oktavwahlschalter. Neben dem Arpeggiator gehört auch die Chord-Memory- und die Hold-Funktion zu den Pluspunkten des Instruments. Ausgangsseitig gibt es auf der Rückseite außer dem Kopfhöreranschluss lediglich einen Monoausgang, da der Stereochorus des Polysix fehlt. Erfreulich ist die Möglichkeit, den Arpeggiator mithilfe eines Triggereingangs zu externen Geräten zu synchronisieren. Außerdem gibt es ein Kassetteninterface und zwei Fußschalteranschlüsse für Programmumschaltung und die Release-Funktion.

Es existieren drei Versionen des Poly 61, die aber klanglich identisch sind. Die ersten beiden Versionen unterscheiden sich vor allem durch das Design der Voice-Boards: Während in der ersten Version das Voice-Board KLM-476 und die Platine für die Steuerung des ersten DCOs (KLM-476) noch getrennt waren, wurden sie in der neueren Version in ein Board (KLM-508) integriert. Dies sollte man beachten, wenn man auf der Suche nach einem Ersatzteilgerät ist. Eine weitere Version, der Poly 61 M, der 1983 herauskam, bietet eine MIDI-Schnittstelle. Da Korg vorher schon viele MIDI-lose Geräte verkauft hatte, gab es von Korg auch den MIDI-Nachrüstsatz MRK, der ca. 690 Mark kostete.

Klangerzeugung

Der Poly 61 ist sechsfach polyfon und arbeitet mit zwei etwas unterschiedlichen Oszillatoren pro Stimme. DCO 1 ist ein analoger Oszillator mit den Wellenformen Sägezahn, Rechteck und einer modulierbaren Pulswelle, der von der CPU digital kontrolliert wird. Der zweite Oszillator wird rein digital erzeugt und generiert Rechteck oder Sägezahn; wie beim später herausgekommenen Poly 800 wird der Sägezahn hier durch die Überlagerung von Rechteckwellen geformt. Die Oszillatoren lassen sich jeweils in drei Fuß- lagen betreiben und in sechs Stufen gegeneinander verstimmen. Sie durchlaufen ein 2-Pol-Tiefpassfilter, das mit Resonanz ausgestattet ist.

Es ist schade, dass Cutoff mit 64 Stufen und vor allem der Resonanzparameter mit acht Stufen sehr grob gerastert sind; das erschwert die detailgenaue Soundprogrammierung erheblich. Es gibt nur eine ADSR-Hüllkurve, eine eigene Filter-Hüllkurve ist nicht an Bord. Dafür ist die Hüllkurve aber schön schnell, denn sie beruht auf den bewährten SSM-Chips 2056, die auch im Polysix und Siel Opera ihren Dienst tun. Neben dem LFO, der dem Joystick zugeordnet ist, gibt es einen weiteren LFO, der ebenfalls mit einer Sinuswelle arbeitet und auf die Filter – eckfrequenz, die Oszillatortonhöhe und den VCA geroutet werden kann. Wie man sieht, ist die Ausstattung und Parametrisierung des Synths sehr einfach gehalten; Features wie OszillatorSync, Ringmodulation oder ein Rauschgenerator sind nicht vorgesehen.

Sound

Trotzdem überzeugt der Poly 61 mit guten Klangeigenschaften, auch wenn er an die Klangfülle und Lebendigkeit seines Vorgängers nicht herankommt. Er ist in der Lage, eine ganze Reihe überzeugender Analogsounds zu erzeugen, darunter schöne, durchsetzungsfähige Bass-, Lead- und Pad-Sounds. Dabei spielt das organische Analogfilter eine tragende Rolle, auch wenn die Resonanz nicht bis zur Eigenschwingung gebracht werden kann. Der Synth ist mangels Suboszillator kein Bassmonster, dafür lässt er sich gut in komplexere Arrangements einfügen.

Da er im Gegensatz zum Polysix keine Effektsektion besitzt, lassen sich breite Strings und Flächen nicht so gut realisieren; aber mithilfe externer Effekte wie Chorus und Phaser ist auch dies gut machbar. Experimentelle Sounds sind nicht seine Domäne, aber man kann durch extreme Verstimmung beider DCOs interessante Timbres erzeugen. Außerdem lässt sich der Klang mit Unisono und Chord-Memory schön andicken. Im Gegensatz zum preisgünstigen Poly 800 besitzt der Poly 61 für jede Stimme ein Filter, was sich im Vergleich positiv bemerkbar macht.

Modifikationen Einer der größten Nachteile des Poly 61 ist der fehlende direkte Zugriff auf Kernparameter. Die Aktivierung der Cutoff-Modulation per Joystick ist da kein Ersatz. Hier kann eine Modifikation Abhilfe schaffen. Es ist nämlich möglich, verschiedene Funktionen, wie Cutoff- und Resonanz-Poti, nachzurüsten, wobei allerdings die Modifikationen nicht ganz so simpel sind wie beim Poly 800. Dann ist auch das Problem der groben Rasterung dieser Parameter gelöst. Trotz einiger Nachteile ist der Poly 61 dank moderater Gebrauchtpreise eine preisgüns – tige Möglichkeit, etwas analoge Würze in den digitalen Alltag zu bringen

Das Gerät wurde uns freundlicherweise von The Cobalt Crew zur Verfügung gestellt. Für weitere Informationen danken wir Stefan Dargel, dessen empfehlenswerte Synrise-Datenbank mittlerweile nicht mehr online ist, aber für 15 Euro unter www.synrise.de auf CD erworben werden kann.

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